Donnerstag, 29. April 2010

Carrion de los Condes


Buenos noches,

viele Gruesse aus Carrion de los Condes. Ich habe gestern nach einem sehr sehr anstrengenden Marsch durch die pralle Sonne in Boadillo del Camino in einer privaten Herberge bei dem Hospitalero Serafin uebernachtet. Es war richtig freaky. Serafin ist ein total durchgeknallter junger Spanier, der selbst 3 x den Camino gegangen ist. Er hat nun die Pension mit 16 Betten eroeffnet, die einen wunderschoenen grossen Garten hat. Ich habe dort mit jungen Leuten uebernachtet, die ich auf dem Camino schon mehrfach getroffen habe und mit meinen drei geliebten Kanadierinnen. Wir haben nachmittags im Garten gesessen und mit James aus Temper/Florida (he comes from Temper - he's a Tampon ;-)) ueber die Politik von Barack Obama und Amerikas Journalismus gesprochen. CNN und die anderen Nachrichtensender berichteten immer nur ueber Amerika Amerika Amerika. James wusste bis kurz vor seinem Abflug nicht mal, dass in Island ein Vulkanausbruch war.
Abends haben wir uns aus der Vorratskammer von Serafin bedient, die mehr als fragwuerdig war. Schimmelige Zwiebeln, gruene Tomaten etc. Wir haben ein nettes Spaghettigericht gezaubert, aus dem ich mir aber sicherheitshalber das Fleisch rausgepult habe ;-)). Die Kanadierinnen hatten heute morgen auch leichte Magenprobleme. Serafin hat dann von jedem 2,50 € verlangt und wir hatten ein guenstiges, internationales Abendessen.

Es ist interessant zu hoeren, warum die Menschen den Camino gehen. Viele haben sogar ihren Job gekuendigt, nur um den Camino zu gehen, oder auf dem Camino Inspirationen fuer das Kommende zu bekommen. Manche Geschichten beruehren mich sehr tief.

Die heutige Etappe war sehr lang, da sie groesstenteils entlang der Hauptstrasse verlief. Neben der Strasse hat man eine "Pilgerautobahn" angelegt, da es frueher zu mehreren toedlichen Unfaellen gekommen ist. Es zog sich wie Kaugummi und die Gelenke und Fuesse schmerzten. Da ist heute mal mein Ipod zum Einsatz gekommen ;-).

Ich bin ganz stolz auf mich, denn heute habe ich sogar mal die schoenere Nebenroute gefunden und mich nicht verlaufen. Die Etappe war heute 27 km lang. Dann habe ich am Ortseingang aber meinen Reisefuehrer aus der Hosentasche verloren und musste nochmal zurueck. Macht nochmal ca. 2 km mehr - aechz-. Leider habe ich ihn nicht gefunden. Gott sei Dank habe ich ja noch einen zweiten mit. Ich konnte mich nicht entscheiden, also habe ich beide kurzerhand in der Mitte durchgeschnitten, da ich den ersten Teil nicht brauchte und beide Halben mitgenommen. Das macht sich nun bezahlt.

Ich bin heute in einer Herberge, die von Augustinernonnen betrieben wird. Es ist eine wundervolle Stimmung hier. Gerade sitzen hinter mir ca. 20 Leute, weil die Schwestern fuer alle gekocht haben. Wir haben vorhin zusammen im Vorraum Gitarre und Mundharmonika gespielt und gesungen. Danach haben wir gemeinsam eine Messe in einer sehr schoenen alten Kirche gefeiert. Nach der Messe mussten alle anwesenden Pilger nach vorne kommen und wir haben die Lesung in verschiedenen Sprachen vorgelesen (jeweils durch Pilger des jeweiligen Landes). Es wurde in spanisch, englisch, deutsch, polnisch, koreanisch und japanisch gelesen. Das ging voll ins Herz.

Das Gehen an sich ist zwar sehr hart, aber man kann viele Gedanken kreisen lassen. Ich bete, gruebel, singe, grummel oder bin einfach nur ganz ganz still und lausche der Natur. Manchmal denke ich:" Warum tust du dir das an¿" (Das spanische Fragezeichen steht tatsaechlich auf dem Kopf ;-)) , aber dann passiert immer etwas so bewegendes oder aussergewoehnliches, dass ich denke, dass Gott mir gerade wieder etwas zum Aufheitern geschickt hat. So auch gestern, als ich mitten in der prallen Sonne keinen Schritt mehr weitergehen wollte und ploetzlich mitten in einer Schafherde stand, die mir entgegenkam. Und wenn ich sage mitten, dann meine ich auch mittendrin. Ich musste erstmal lachen und habe dann die beiden letzten Kilometer begleitet von frischen Schafskuetteln (oh hallo Kuettel ;-)) auch noch geschafft.

Morgen erwartet mich eine der schwersten Etappen des Camino. 18 km durch die Meseta.
Nur Kornfelder, kein Baum, kein Strauch, kein Ort (und ----Hiiiillllffffeee - keine Toilette ;-)). Ich kann also alle guten Gedanken von euch gebrauchen. Ich denke ich werde mal wirklich frueh starten, um nicht in die Mittagssonne zu kommen.

Also werde ich jetzt schnell in mein Hochbett krabbeln. Ich schlafe heute uebrigens oben ;-)).

Ultreia

Silvia

P.S. apropos Bett. Sarah aus Kanada durfte gestern ihre ganzen Sachen desinfizieren, denn sie hatte Bisse von Bettwanzen am ganzen Koerper und sie hatte die Nacht vorher im gleichen Hochbett mit mir geschlafen. Ich bin verschont geblieben.....es lebe mein Seidenschlafsack, den ich IMMER als Bettlaken benutze.

P.P.S: nachdem gestern Abend der Computer gestreikt hat, als ich den Post veroeffentlichen wollte, versuche ich es jetzt noch einmal

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