Sonntag, 20. Juni 2010

Wieder zu Hause


Tja...nun sitze ich hier und soll den, von vielen gewünschten, Abschlusspost schreiben.
Lange schon schiebe ich das vor mir her. Vielleicht denke ich tief in mir drinnen, dass, wenn ich den Abschlusspost schreibe, ich auch einen Abschlusspunkt unter meinen Camino setze und das will ich nicht. Der Camino geht für mich immer weiter.
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, wie tief er noch nachwirkt. Nun bin ich schon ca. 1 Monat wieder zu Hause und ich habe das Gefühl, dass ich immer noch auf dem Camino bin. Jeden Tag erfahre ich bei Facebook, wie es meinen Caminofreunden geht und ich habe das Gefühl, dass alle irgendwie noch in Gedanken auf dem Weg sind.

So ein Abschlussbericht muss ja auch wohlüberlegt sein. Was schreibe ich, was ist das Fazit? Grübel grübel.

Fazit ist...ich habe kein Fazit. Ich glaube, der Camino wird noch Jahre oder mein ganzes Leben in mir andauern. Ich kann aber sagen, was ich gelernt habe und was sich jetzt schon in mir verändert hat. Auf dem Camino hat unsere Mitpilgerin Katrin uns kurz vor Santiago vorgelesen, was sie in ihrem Tagebuch festgehalten hat. Es waren glaube ich 8 oder 10 Punkte, die sie notiert hat und einige klingen bei mir ähnlich.

Ich habe gelernt:

- der Kraft in mir zu vertrauen
- im Dunkeln einen komplett durchorganisierten Rucksack zu packen
- mit vielen Menschen in einem Raum zu schlafen
- den inneren Schweinehund zu überwinden
- dass eine warme Dusche der vollkommene Luxus sein kann
- dass mein Schlafzimmer zu Hause ein unbeschreiblicher Luxus ist
- dass man auch beim Schein einer Taschenlampe frühstücken kann
- dass man auch wildfremden Menschen innerhalb von 2 Min. vertrauen kann
- meinen Horizont zu erweitern
- all is one
- dass einem Menschen innerhalb kürzester Zeit sehr ans Herz wachsen können
- auf ein Hochbett zu kommen und im Dunkeln runterzusteigen, ohne sich die Knochen
zu brechen (es gab nicht immer Leitern ;-))
- Menschen nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen
- dass einfachste Küche besser sein kann, als manches Luxusmenü
- dass die Natur absolut atemberaubend ist
- dass man auch nur mit ein paar Sachen im Rucksack 4 Wochen glücklich sein kann
- dass die Menschen trotz ihrer verschiedenen Kulturen gar nicht so unterschiedlich
sind
- dass das Schnarchverhalten sich im Laufe einer Nacht ändert ;-)
- dass es einen Ort auf der Welt gibt, wo jeder mit jedem teilt
- dass ich noch umweltbewusster werden muss, weil die Natur einfach atemberaubend
schön ist und so bleiben soll
- dass ich in Restaurants essen kann, die ich in Deutschland nicht mal betreten
würde (der Hunger treibts rein)
- dass immer irgendwo ein Engel ist, wenn man einen braucht
- dass wir Deutschen unglaublich bequem und unbeweglich im Denken sind
- dass es gut tut, Altvertrautes zu durchbrechen
- dass man nicht immer alles planen und durchstrukturieren muss
- Einfachheit
- Gottvertrauen!!!

Ich glaube, der Pilgervirus hat mich voll erwischt. Ich sehne mich danach, wieder den Staub unter meinen Füßen zu spüren und von der klaren Luft durchströmt zu werden.
Den holzigen Eukalyptusduft zu riechen und den Blick über die Berge schweifen zu lassen mit dem wohligen Gefühl, diesen Gipfel mit der eigenen Kraft erklommen zu haben.

Symbolisch gesehen werde ich in meinem Leben sicher noch einige Gipfel erklimmen und auch einige Täler durchschreiten und ich bin mir sicher, dass die Erfahrungen meines Caminos mir dabei helfen werden.

Ich habe heute ein Gedicht von Christian Morgenstern gelesen, dass das Gefühl auf dem Camino und "am Ende der Welt", als ich auf den Felsen saß und aufs Meer hinausschaute, gut beschreibt. Mit diesem Gedicht möchte ich meinen Blog beenden.

Am Meer


Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern,
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.

Keine Frage
von Menschenlippen
fordert Antwort.
Keine Rede
noch Gegenrede
macht dich gemein.
Nur mit Himmel und Erde
hältst du
einsame Zwiesprach.
Und am liebsten
befreist du
dein stilles Glück,
dein stilles Weh
in wortlosen Liedern.

Wie ist dir nun,
meine Seele? Von allen Märkten
des Lebens fern
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.

Christian Morgenstern



In diesem Sinne......ultreia!

Eure
Silla

Montag, 24. Mai 2010

Finisterre - das Ende der Welt



Nachdem wir unseren ereignisreichen ersten Tag in Santiago abgeschlossen hatten, folgte
eine ruhige (aber nur bei geschlossenen Fenstern) Nacht in unserem schnuckeligen Hotel.

Morgens wollten wir uns auf die 3 Std. Busfahrt nach Finisterre begeben, als wir Charlotte am Busbahnhof trafen, die von einem Spanier zugetextet wurde. Charlotte verstand kein Wort. Gut, dass wir Wusel dabei hatten. Die erklärte uns, dass der Spanier 8 Leute in Finisterre abholen musste und uns anbot, uns für 12 € (Bus 11 €) innerhalb von 1 Std. nach Finisterre zu bringen. Schnell war sein Bulli voll mit Pilgern und los gings.

In Finisterre (oder galicisch Fisterra, lat. Finis Terrae, also das Ende der Welt) hat er uns netterweise gleich am Leuchtturm etwas außerhalb des Ortes abgesetzt. Das Ende der Welt. So glaubten die Pilger im Mittelalter zumindest. Weiter ging es nicht.

Es war atemberaubend schön dort. Traditionell verbrennen die Pilger dort ihre Pilgersachen. Da die Trekkinghose, die ich überwiegend zum Laufen anhatte, wirklich ihren Dienst getan hatte, habe ich mich bei ihr bedankt und sie den Flammen übergeben.
Die Taschen waren ausgebeult, da ich immer wie ein Beuteltier rumgelaufen bin (Fotoapparat immer in der Hosentasche, Ipod und Wanderführer auch) und irgendwann war ein spanischer Trockner so heiss, dass auch der Reissverschluss am Bein (Zipp off) so eingeschmolzen war, dass ich den beim Laufen immer mit Pflaster überkleben musste. Ich hatte mich schon daran blutig gescheuert.
Also mit Dank ins Feuer. Wusel hat ihre Socken gleich hinterhergeworfen.

Danach haben wir uns jeder ein Platz auf den Felsen gesucht (ein wenig getrennt voneinander) und haben lange aufs Meer geguckt und unseren Gedanken freien Lauf gelassen.

Das war für mich der wirkliche Abschluss der Pilgerfahrt. Natürlich weiß ich, dass es einen wirklichen Abschluss nicht gibt, weil die gedankliche Verarbeitung zu Hause auch weitergeht, aber es war der symbolische Abschluss für mich.
Ich fühlte mich wirklich, als sei ich angekommen. Das war sehr schön.
Ich habe es noch schöner empfunden, als die Ankunft in Santiago.

Es gab noch zwei Leute, die ich wirklich gerne wiedergesehen hätte und das waren Mitch und Ruthi aus Canada. Es kam wie es kommen musste.
Als ich ganz versunken später durch den Ort ging und mit den Augen schon ein Plätzchen für meinen Mittagsschlaf in der Bucht suchte, hörte ich nur:"Hey...that's Silvia! Oooh look...that's really Silvia!" Unglaublich! Ich konnte Mitch und Ruthi noch in die Arme fallen. Jetzt war der Abschluss wirklich komplett.
Es sind doch immer wieder kleine Wunder, die einem auf dem Camino passieren.

Am Abend vorher erzählte Sandrine mir, dass sie sich immer gewünscht hat, noch Roy und mich zu sehen. Mich hatte sie ja nun gesehen. Roy nicht. Sie dachte, er sei schon nach Hause gefahren. Kurz nachdem sie mir das erzählte, sprang sie plötzlich auf, weil Roy gerade über den Platz neben dem Cafe ging. Tja...Geschichten, die der Camino schreibt.

Im Ort wollten wir uns dann eine schöne Paella gönnen und haben die schlechteste Paella unseres Lebens bekommen. Wir haben sie komplett zurückgehen lassen. Der Kellnerin war das sehr peinlich und sie hat uns wenigstens die Getränke nicht berechnet. Sie wollte uns noch Alternativessen anbieten, aber uns war der Appetit vergangen. Das hat uns aber die Laune nicht verdorben und wir haben uns erstmal ein schönes Mittagsschläfchen am Strand gegönnt.

Pünktlich um 17 Uhr hat uns Alvaro, unser Taxifahrer schon erwartet und nach Santiago zurückgebracht. Der Abend ist dann noch mit einem netten Abendessen mit Luise und Reinhold und Rosa ausgeklungen.

Es war dann auch gut und ich habe mich einfach nur noch auf zu Hause gefreut.

Santiago



Hola zusammen,

es tut mir sooo leid. Es ist ja fast ein bisschen, als wenn man einen spannenden Film guckt und kurz vor dem Showdown kommt die Werbung. Dafür werdet ihr jetzt für das Warten mit einem Video belohnt.

Wir hatten die letzten Tage tatsächlich keine Möglichkeit ins Internet zu gehen.
In unserem Hotel gab es nur WLAN und dummerweise hatte ich keinen Laptop im Rucksack ;-).

Nun aber alles ausführlich (ich muss mich erstmal dran gewöhnen, dass es jetzt wieder ü und ä und ö gibt).

Ich hatte ja schon geschrieben, dass die letzte Etappe zum Monte do Gozo für mich eine Qual war. Nachts wusste ich auch warum. Ich hatte Schüttelfrost, Fieber und Magen-Darm-Probleme. Ich habe nur gedacht:"Das darf doch nicht wahr sein. So kurz vor dem Ziel. Als wenn mein Körper gemerkt hat....so, das wars. Ziel erreicht."
Leider hatte mein Körper die letzten 5 km nicht einkalkuliert.

Am Morgen ging es mir immer noch nicht gut, so dass ich Wusel vorgeschickt habe.
Sie hat zwar fürchterlich protestiert, weil sie mit mir zusammen in Santiago einlaufen wollte, aber da ich noch nicht absehen konnte, wie lange es mir noch schlecht geht, wollte ich, dass sie geht. Außerdem war das die Abmachung. Jeder geht seinen Weg und es sollte wohl nicht so sein, dass wir zusammen einlaufen.
Ich bin ja schließlich auch meinen Weg weitergegangen, als sie Fußprobleme hatte.

So ist Wusel dann alleine nach Santiago gedackelt und ich habe mich noch eine Weile meinen Wehwehchen gewidmet. Nach einiger Zeit wurde ich jedoch unruhig, habe meinen Rucksack geschultert und bin los. 5 km.....das war doch mittlerweile fast so, als wenn man zu Hause zum Frühstück Brötchen holt.

Die restlichen Kilometer nach Santiago hinein waren ziemlich unromantisch, allerdings nur solange, bis die Kathedrale in Sicht kam. Die Altstadt ist einfach wunderschön. Ein Dudelsackspieler spielte in dem Torbogen zum Kathedralvorplatz, die Sonne schien, es war einfach schön.

Als ich die Kathedrale erreicht hatte, habe ich mich erstmal fassungslos hingesetzt.
Das soll es jetzt gewesen sein? Es war keine Hochstimmung. Eher so ein melancholisches Gefühlswirrwarr.
Auf dem ganzen Weg hatte ich irgendwie nie das Gefühl, dass es zur Erfüllung meines persönlichen Caminos unabdingbar ist, dass ich in Santiago ankomme.
Natürlich war es das Ziel....aber eben irgendwie doch nicht. Ich weiß, es klingt wirr, aber jeder, der den Camino schonmal gegangen ist, wird das verstehen.

Das, was ich auf dem Weg an Begegnungen, Gesprächen, Gedanken, Gebeten, Geschenken, persönlichem Wachstum, Herausforderungen, Frustrationen, Gastfreundschaft, Freundschaften und liebevollen Gesten bekommen hatte, das war nicht hier in Santiago zu finden. Das war es aber, was den Camino ausgemacht hatte.
Santiago hat mich dennoch tief berührt.

Auf dem Kathedralplatz habe ich dann auch Wusel wiedergetroffen und wir haben uns erstmal eine Cola in einem Cafe dort gegönnt. Als wir dort am Tisch saßen, kam ein junger Italiener, den ich ein paar Mal in Herbergen getroffen hatte und gratulierte uns. Es war irgendwie witzig. Man hat das Gefühl, man ist auf einem Familientreffen der Pilgerfamilie. Man hat sie irgendwie fast alle mal in den Herbergen oder auf dem Weg gesehen.
Es hatte sich schon eine lange Schlange vor der Puerta Sancta, der heiligen Pforte gebildet, die nur in heiligen Jahren geöffnet ist.
Da man die Rucksäcke nicht mehr mit in die Kathedrale hineinnehmen durfte, haben wir erstmal unser Hotel gesucht (ein gaaanz nettes kleines sauberes schickes Hotel nur 2 Min. von der Kathedrale entfernt) und dort unsere Rucksäcke deponiert.

Da wir davon ausgingen, dass es sich bei der Schlange um Messebesucher handelt, die in die Pilgermesse wollten (wir hatten eine Frau in der Schlange gefragt und die hat gesagt, sie wolle in die Messe), haben wir uns da eingereiht.
Na das konnte ja heiter werden. Aber unser Glück ließ nicht lange auf sich warten. Es kam in Form von Ulla, die auf der Treppe das Geschehen beobachtete.
Sie klärte uns erstmal auf, dass dies die Schlange sei um den heiligen Jakobus zu umarmen und in die Krypta hinabzusteigen und das Grab zu besichtigen.
Wenn wir in die Pilgermesse wollten und gute Plätze haben wollten, dann sollten wir uns schon jetzt auf den Weg machen. Die Kathedrale sei offen.
Wir haben also beschlossen, dass Jakobus noch ein bisschen auf unsere Umarmung warten muss (machte ja nichts...er hatte ja noch genug) und sind dann in die Kathedrale gegangen, die schon um kurz vor 11 sehr voll war (Beginn Messe um 12).
Wir haben aber noch gute Sitzplätze bekommen und harrten dann der Dinge, die da kommen sollten.

Viele Menschen setzten sich noch mal eben schnell vor die Beichtstühle und beichteten noch vor der Messe oder gingen in den Altarraum und beichteten den dort anwesenden Priestern. Am besten aber fand ich die Beichtstühle. Sie waren nicht so abgeschlossen, wie bei uns. Nur der Priester saß innen, war aber von außen zu sehen. Der Gläubige kniete dann von außen vor dem Priester und beichtete.
Ich habe das Ganze dann "Beichte to go" getauft. Das wäre mir zu schnell und unpersönlich, aber wenn es demjenigen hilft, der beichtet, warum nicht?

Die Pilgermesse um 12 Uhr war irgendwie mehr Show, als Messe. Die Spanier quasselten auch während der Messe. Es war unruhig und ziemlich anstrengend. Ich hatte allerdings auch keine meditative Messe erwartet ;-).
Wunderschön war es aber, als die Nonne gesungen hat. Wirklich wie ein Engel. Traumhafte Stimme.
Zum Schluss der Messe hatten wir noch das Glück, den (das?) Botafumeiro in Aktion zu sehen.
Das ist das riesige Weihrauchfass, das geschwungen wurde.
Da die Messe ohnehin wenig andächtig war, hatte ich dann auch keine Skrupel, das Ganze mit meiner Kamera zu filmen (wie Hundert andere auch ;-).

Nach der Messe haben wir Reinhold und Luise wiedergetroffen und Anja ist mit den beiden losgezogen, während ich mich ins Hotel zurückgezogen habe, da ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
Kaum im Bett, begann es auch schon wieder mit dem Schüttelfrost und Fieber.
Ich habe dann erstmal einige Stunden tief und fest geschlafen.

Da ich aber unbedingt noch meine Compostela holen wollte, die ja das Datum von dem Ankunftstag tragen sollte, habe ich mich um 17 Uhr aus dem Bett geschält und bin mit Wusel zum Pilgerbüro gedackelt.
Die Dame im Pilgerbüro hat mich dann gefragt, ob ich auch alles brav gelaufen sei.
Ich habe dann meine beiden innerstädtischen Busfahrten "gebeichtet" (obwohl ich diese Kilometer durch meine längeren Alternativrouten bestimmt wieder reingeholt habe). Daraufhin hat sie mich gefragt, ob ich denn seit Sarria komplett gelaufen sei. "Na klar!" Dann hat sie genau meine Stempel kontrolliert und meine Compostela ausgestellt. Witzigerweise zuerst auf meinen Mädchennamen. Als sie den Irrtum bemerkte, wanderte meine erste Compostela also sofort in den Müll. Schade...die hätte ich auch noch mitgenommen ;-).

So, jetzt fehlt zu unserem Komplettpaket also nur noch die Umarmung des Jakobus (obwohl ich ehrlich gesagt nicht glaube, dass es tatsächlich Jakobus ist, der da liegt, aber egal) und die Beichte (ich habe erst zwei Mal in meinem Leben gebeichtet...wird mal wieder Zeit, obwohl ich da eigentlich auch so ein bisschen zwiespältig bin, aber das ist ein anderes Thema). Für die Beichte haben wir 15 Tage Zeit, für die Umarmung des Jakobus nicht. Also haben wir uns in die nur noch sehr kurze Schlange gestellt und sind durch die Heilige Pforte in die Kathedrale gegangen.

Während der Messe hatten wir schon immer gesehen, wie die Gläubigen die Statue des Jakobus umarmten. Das sah witzig aus, weil man meistens nur gesehen hat, wie zwei Hände von hinten kamen (Der Jakobus steht hinter dem Altar). Die Köpfe und Körper hat man meistens nicht gesehen, weil die Statue so groß ist.

Das haben wir dann auch gemacht und sind dann noch in die Grabkapelle hinabgestiegen.
Das Ganze hat nur ein paar Minuten gedauert und war ziemlich unspektakulär.
Damit hätten wir dann unser Rundumpaket komplett ;-).

Ein ganz großer Wunsch von mir ist dann doch noch in Erfüllung gegangen.
Ich bekam noch eine SMS von Sandrine so nach dem Motto:"Hey, du müsstest doch jetzt eigentlich in Santiago angekommen sein. Wir sind in 1 Std. mit dem Bus da. Kommen von Finisterre. Sehen wir uns?"
Das war das größte Geschenk. Meine lieben Caminofreunde Sandrine, Siad, Josh und James nochmal zu sehen. Obwohl es mir nicht so gut ging, war es für mich klar, dass ich den Abend noch mit ihnen verbringen wollte. Es war dann auch ein toller Abend und Wusel konnte hinterher glaube ich gut nachvollziehen, warum ich so traurig war, dass ich diese Menschen unterwegs ziehen lassen musste. Aber der Camino hat uns ja wieder zusammengeführt. Sie waren zu Fuss nach Finisterre gegangen und nun mit dem Bus zurückgekommen.

So ist dann ein ereignisreicher, anstrengender Tag in Santiago noch sehr schön zu Ende gegangen.

Silvia

Donnerstag, 20. Mai 2010

Monto do Gozo

Hola zusammen,

wir sind kurz vor dem Ziel. Noch 5 km bis zur Kathedrale von Santiago.

Wir uebernachten heute auf dem Monte do Gozo, dem Berg der Freude. Von hier aus kann man das erste Mal einen Blick auf Santiago werfen.
Leider hat es Wusel jetzt komplett aus den Latschen gehauen. Wir sind gestern ca. 24 km gelaufen und die letzten 5 Kilometer konnte sie nur noch unter hoellischen Schmerzen gehen und abends ging garnichts mehr.
So musste sie heute mit dem Taxi hierhin fahren und das medizinische Zentrum hier besuchen, wo ihr Fuss getapt wurde und sie einen Salbenverband bekommen hat. Morgen will sie tatsaechlich mit Hilfe der Pharmaindustrie noch die restlichen 5 km gehen, soweit die Fuesse sie dann wieder tragen.

Die beiden letzten Etappen waren eine ziemliche Qual. Gestern fuer Wusel (und auch fuer mich, da ich sie nicht leiden sehen konnte) und heute fuer mich, da es sehr sehr heiss ist und ich mehrere Stunden in der prallen Sonne gehen musste.
Hier auf dem Monte ist eine grosse Ferienanlage, wo bis zu 800 Pilger uebernachten koennen.

Es ist ein komisches Gefuehl, so kurz vor dem Ziel zu sein. Ich bin wirklich gespannt, wie ich mich morgen fuehle, wenn ich die Kathedrale erblicke.

Interessant ist noch der Ort vor dem Monte. Hier haben sich die mittelalterlichen Pilger gewaschen, bevor sie in Santiago einliefen. Das Ganze beruhte aber auf einem Missverstaendnis, da der mittelalterliche Reisefuehrer den Ortnamen falsch uebersetzt hat. Statt Lavacolla richtig mit "viel Geroell" zu uebersetzen, lautete die Anweisung Lavacolla "wasch die Genitalien" ;-)). Tja...wie dem auch sei. Das hat doch dazu gefuehrt, dass einige sauberer als sonst in Santiago einliefen. Von Lavacolla sind es aber noch 10 km, so dass bei der Hitze, wie sie heute herrscht, das Waschen sicherlich nicht viel genutzt hat. Deswegen gibt es auch sicherlich das grosse Weihrauchfass in der Kathedrale ;-)).

Meine Internetzeit ist fast abgelaufen und ich habe kein Kleingeld mehr.

Von daher werde ich das naechste Mal aus Santiago gruessen.

Ultreia
Silvia

Dienstag, 18. Mai 2010

Post von Wusel.....




Hallo Ihr Lieben,
ich betaetige mich heute mal wieder als Gastblogger...
Heute ca. 22 km bei bestem Wetter und zum Glueck auch durch einige Waldstuecke - da ist der Boden weicher, man hat Schatten und es duftet nach Fichten und Eukalyptus.
Heute bin ich unterwegs wieder drei spanischen Caballeros begegnet, die ich schon vor einigen Tagen getroffen habe. Sie sind mit ihren Pferden auf dem Weg nach Santiago...und ihre Frauen laufen :))

Heute mittag habe ich mir in einer Pulperia in Melide eine leckere Empanada mit einem Salat schmecken lassen...und ploetzlich hoere ich Hufgetrappel. Bonanza laesst gruessen: vor der Tuer haben die Herren ihre Pferde geparkt - da sie die Pferde aber nicht alleine an der Strasse lassen wollten, haben sie auch draussen gegessen.
Spaeter haben mich die drei dann noch ueberholt...auf dem Foto sieht man nur zwei...der dritte war ein Stueck hinter ihnen - das Warten hat sich gelohnt, der sass naemlich ganz entspannt mit freiem Oberkoerper auf dem Pferd - das habe ich allerdings nicht mehr fotografiert, sondern in Ruhe genossen ...

Heute hatte ich auf dem Weg auch genug Puste, mich waehrend des Laufens auch mal mit anderen zu unterhalten...schon sehr interessant zu hoeren, woher die Leute kommen und warum sie den Camino gehen.

Und bleiben noch drei Tage bis Santiago...kaum vorstellbar - ich glaube, wenn ich noch eine weitere Woche laufe, koennte ich mal langsam mit Silla mithalten :))

In Santiago freue ich mich auf einige sehr weltliche Dinge: das eigene Bad und Bett im Hotel - und wir werden shoppen gehen. Silla will dringend Parfum fuer guten Duft - und ich werde ihr eine Tube Haargel spendieren, weil sie mir jeden Tag erzaehlt, wie sehr ihr ihr Haargel abgeht (wir haben hier heute eine Frau getroffen, die tatsaechlich eine Kurpackung und Faerbemittel eingesteckt hatte...bruellendes Gelaechter!!)

Wenn wir es schaffen, fahren wir noch zum Kap Finisterre an den Atlantik.- Dort verbrennt man traditionellerweise etwas vom Weg - Silla ihre Hose, ich werde ein paar Socken in das Feuer schmeissen ... und dann bestellen wir uns eine leckere, riesige, mit Liebe gekochte Paella und lassen es uns gut gehen.

So Ihr Lieben - das wars fuer heute.
Buen camino - auch fuer Euch, herzliche Gruesse von Eurer
Anja / Wusel

Boente de Riba




Hola zusammen,

viele Gruesse aus dem "schoenen" Boente de Riba, unserem Zufluchtsort. Im Sommer hat dieses Dorf 400 Einwohner, im Winter 40 ;-). Und die 400 sind wirklich Einwohner und keine Pilger. Sie leben davon, die Pilger im Sommer zu beherbergen und im Winter relaxen sie oder so....

Die heutige Etappe war sehr schoen, weil wir viel durch Eukalyptuswaelder und an kleinen Baechen vorbeigelaufen sind. Ich bin heute schon um 06.15 Uhr gestartet. Es war noch relativ dunkel und ich hatte echt Angst, mich zu verlaufen (es ging auch noch durch ein Waldstueck). Aber der liebe Gott hatte wohl ein Einsehen und im Wald war es dann schon so daemmerig, dass ich den Weg sehen konnte. War aber schon ein komisches Gefuehl.
Ich wollte versuchen, fuer Wusel ein Zimmer in einer Herberge oder einem Hotel zu bekommen, waehrend ich in der Herberge in Ribadingsda....(hach ich kann mir die ganzen Namen nicht merken) uebernachten wollte. Wusel wollte nicht so weit laufen, so dass sie spaeter gestartet ist und sich auf meine Suchkuenste verlassen hat ;-).

Die Etappe war heute eine Qual fuer mich. Obwohl es mir gestern abend recht gut ging, tat mir heute jeder Schritt weh. Meine orthopaedischen Einlagen musste ich vor ein paar Tagen aussortieren, da sich die Lederauflage geloest hat. So laufe ich nun mit den normalen Einlagen der Schuhe (die ich wohlweislich eingepackt hatte) und das merke ich auch. Ausserdem habe ich mir doch tatsaechlich 44 km vor Santiago noch eine Blase gelaufen. Es ist die kleine Blase, die ich unter dem Fuss hatte und von der ich dachte, sie waere laengst ausgeheilt, so dass ich sie vorgestern nicht getapt habe.
Das hat sich sofort geraecht. Ach...ich bin heute richtig wehleidig.

Um 12 Uhr war ich schon in Boente und habe diese Herberge hier gesehen. Sie hatten noch 2 Betten fuer uns frei und ich habe mich dann auch entschlossen, heute keinen Schritt mehr weiterzugehen. So lagern wir hier. Es ist ein wenig abenteuerlich, aber Hauptsache, wir haben ein Dach ueber dem Kopf. Vorhin musste eine Mitpilgerin voll eingeseift aus der Dusche rausspringen, weil die Dusche sich ueberlegt hat, nach 2 Min. kein Wasser mehr zu geben. Sie hat herrlich auf bayrisch geflucht. "Na komm scho du dammertes Ding..." Ich stand gerade am Waeschestaender und habe mich kaputtgelacht. Ich hatte heute ausnahmsweise mal eine schoene warme Dusche (ich war ja die Erste hier ;-)).
Morgen muessen wir dann ein paar Kilometer mehr machen, aber das ist nicht so schlimm, da wir fuer morgen abend schon unsere Betten fest reserviert haben. Also koennen wir bummeln und an jeder Bar einkehren ;-).

Da der Computer hier mal ausnahmsweise schnell ist, stelle ich auch noch ein paar Fotos ein. Auf dem einen seht ihr den Blick aus meinem Bett vorgestern abend in der Herberge (ein Schlaefer fehlt noch - der Abstand war also noch kuerzer ;-)). Auf dem anderen seht ihr die Morgenstimmung heute morgen im Nebel und auf dem dritten einen schoenen Bachlauf, den ich heute vormittag ueberquert habe. Ein Spanier war so nett, mich zu fotografieren.

So...jetzt kommt noch ein neuer Post von Wusel mit weiteren Bildern.

Ultreia
Silvia

Montag, 17. Mai 2010

Portomarin - Palas dei Rei


Hola zusammen,

hurra, ich sitze an einer richtigen Tastatur und kann in die Tasten hauen.
Das Pilgern wird langsam zur Roadshow. Es ist der Horror.
Wusel hat es heute richtig beschrieben:"Ich hatte das Gefuehl auf einer Ameisenstrasse zu sein!"
Gestern sind wir bis nach Portomarin gegangen. Die Strecke von Sarria bis Portomarin war eine der schoensten des Camino (von den vielen vielen schoensten...). Leider getruebt durch unzaehlige Sonntagspilger, die von Bussen hin- und hergekarrt wurden und ab und zu mal die schoene Landschaft durchstreiften.
Es war grausam. Laut, ruecksichtslos und natuerlich mit saemtlichen Pilgerutensilien wie Muschel und Kallebasse (schreibt man das so...ich meine diesen Kuerbis ;-)) ausgestattet. Sogar mit Kinderwagen sind sie ueber Baeche und Matschwege geschoben.

Es hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Pilgern zu tun, wie ich es in den Etappen vor Leon kennengelernt habe.

Ich habe dann in Portomarin in der Herberge uebernachtet und Wusel wollte sich ein Hotel suchen. Das hat sie aber leider nicht bekommen, weil der Ort total ausgebucht war. Gut, dass sie noch ein paar Mitpilger getroffen hatten, die ihr den Tipp mit einer privaten Albergue gaben. So hatte sie noch ein Bett.

Heute morgen begann in der Herberge schon um 5.30 Uhr der grosse Aufbruch. An Schlafen war nicht zu denken. Ich wundere mich jeden Morgen ueber die Leute, die sich ihre Wecker stellen. Sie sind naemlich die Einzigen im Schlafsaal, die nicht davon wachwerden *gggrrrrr*. Ich habe mich dann um 5.45 aus meinem Schlafsack gekugelt und habe meine Sachen gepackt. Der Durchgang bis zum Nachbarbett betrug ungefaehr 30 cm und ich hatte fast Angst, steckenzubleiben ;-).

Ich habe dann beim Licht der Taschenlampe meines Tischnachbarn gefruehstueckt (Joghurt mit Apfel und Banane-man wird ja genuegsam) und war um 6.45 Uhr schon fertig. Das Problem war, dass ich mich mit Wusel erst um 7.30 Uhr verabredet hatte.
Sie hat mir dann per sms das OK gegeben, dass ich schon loslaufen kann und das war gut so. Nach einer Etappe in der prallen Sonne, die ganz ok, aber wenig aufregend war, da es ueberwiegend ueber Schotterwege und an der Strasse entlang ging, kam ich in Palas dei Rei an und es gab so gut wie keine Betten mehr.
Wie soll das erst im Sommer werden.
Ich habe jetzt ein Doppelzimmer fuer uns ergattert und Wusel ist vorhin auch voellig abgekaempft hier angekommen.
Wie haben nun fuer morgen die Albergues durchtelefoniert, die fuer uns in Frage kommen, aber alle sind ausgebucht. Wird spannend. Mal sehen, in welcher Scheune wir morgen unser Haupt betten. Ich glaube Wusel kriegt einen Anfall....
Ich bin da ja schon abgehaertet. Allerdings moechte ich auch nicht unbedingt im Wald schlafen. Vielleicht gibts ja noch Woelfe.

Als ich heute vor dem Kilometerstein 65,5 (bis Santiago) stand, war ich irgendwie wie betaeubt. Ich kann das gar nicht glauben. Die ersten Kilometerangaben (es war auf meiner ersten oder zweiten Etappe) waren mit Kilometerstaenden von ich glaube 528
km angegeben und nun sind es nur noch 65. Wahnsinn.

Es war immer mein grosser Traum diesen Camino zu gehen. Ich habe es nun fast vollendet und irgendwie ist das ein komisches Gefuehl. 10 Jahre "gedankliche" Vorbereitung und die Zeit verging wie im Flug. In den ersten zwei Wochen war ich einfach nur gluecklich und zufrieden. Es war wie "Angekommensein". Es fuehlte sich richtig und gut an. Nun ist es ein "K(r)ampf". Diese vielen Menschen, das Gedraenge, das Gerenne um die Betten.

Lediglich die Etappen durch die schoene Landschaft versoehnen mich wieder.

Der O Cebreiro ist nun auch aus meinen Knochen wieder raus und meinen Fuessen geht es wieder gut. Das waren echt zwei Hammertage.
Der Ort, in dem wir gestern abend waren, liegt uebrigens an einem Stausee, in dem der urspruengliche Ort versunken ist. Lediglich die beiden Kirchen sind Stein fuer Stein abgetragen worden und am neuen Ort wieder aufgebaut worden.

Das war ganz witzig. Auf vielen Kirchensteinen konnte man noch Zahlen sehen. Das war nicht "Malen nach Zahlen", sondern "Bauen nach Zahlen". Gut dass ich keiner verzaehlt hat ;-).
Als wir vor der Kirche sassen, kam gerade ein Trauerzug an. Schrecklich fuer die Angehoerigen. Der Sarg wurde ueber die Hauptstrasse getragen und hunderte Bustouristen und Pilger gafften. Die Angehoerigen taten mir fuerchterlich leid.

Ich habe trotz der vielen Touris auch noch sehr nette Leute in den letzten Tagen kennengelernt. Das Schoene ist, dass ja alle irgendwie gleich sind. Alle rennen in Trekkingklamotten herum, egal ob reich oder arm oder Aussteiger oder Direktor (Ex-Direktor), Abteilungsleiter oder Student. Es ist egal und alles ist vertreten.
Man lernt die Menschen beim Plaudern einfach als Mensch kennen und oft ergibt sich erst nach Stunden/Tagen (oder nie) das Gespraech darueber, was man beruflich macht.

Heute bin ich mit jemandem gegangen, der mir erzaehlt hat, dass sein Leben fuer ihn immer perfekt war. Verheiratet, 2 Kinder (mittlerweile 22 und 28), beruflich sehr erfolgreich. Letztes Jahr ist er 50 geworden und hat noch gesagt:"Was soll mir passieren. Ich bin gluecklich!" Dann hat seine Frau ihm letzten Sommer eroeffnet, dass sie ihn nach 28 Jahren Ehe verlaesst. Sie haetten sich auseinandergelebt und sie koenne es auch nicht mehr aushalten, dass er immer so lange arbeitete (teilweise 12 Stunden und mehr). Er hat seine Stunden reduziert, konnte aber seine Ehe nicht mehr retten. Nun stand er vor einen Scherbenhaufen und alles das, was er sich an seinem 50. Geburtstag nicht im Traum haette vorstellen koennen, war nun eingetreten.
Er hat mir eindrucksvoll geschildert, wie es ihm ging.
Seine Frau ist mit einer Freundin zusammengezogen und moechte sich nun ein neues Leben aufbauen (hat aber keinen neuen Mann, also das war definitiv nicht der Trennungsgrund).
Ich habe lange darueber nachgedacht. Man soll doch wirklich jeden Tag geniessen.
Nicht, dass ich jetzt Angst um meine Ehe haette (hallo Schaaaaatziiiii ;-)), aber
auch ich haette mir ja vor 3 Jahren nicht vorstellen koennen, dass ich so schwer erkranke. Man ist so schnell wieder im Alltagstrott und vergisst oft, es zu wuerdigen, wie gut es einem eigentlich geht. Es ist ja alles so normal und laeuft halt.

Tja...that's life. So...das war mein Wort zum Montag ;-)). Denkt mal drueber nach und freut euch, wenn es euch gut geht.


Ultreia
Silvia

Samstag, 15. Mai 2010

O Cebreiro - Samos - Sarria




Hola zusammen,
ja ja...sie weilt wieder in der Zivilisation :-)
Leider konnte ich mich in den letzten zwei Tagen nicht melden,weil ich in der Bergwelt
Galiciens rumgekraxelt bin.
Vorgestern bin ich (mal wieder) auf fast 1.500 m hoch in das Bergdorf O Cebreiro.
Hier hat sich das beruehmte Hostienwunder ereignet, von dem es zwei Versionen gibt.
Beide stimmen insoweit ueberein,dass sich ein Bauer bei sehr schlechtem Wetter in die Messe gequaelt hat. Die eine Version sagt, dass er zu spaet kam und der Pfarrer schimpfte, die zweite Version besagt, dass der Pfarrer sich abfaellig darueber aeusserte, so nach dem Motto:"Schoen bescheuert, sich bei diesem Wetter hier hochzuquaelen (bei dem Anstieg habe ich uebrigens mehrfach das Gleiche gedacht).
Wie dem auch sei hat sich dann die Hostie in Fleisch verwandelt und der Wein in Blut.
Koenigin Isabella hat hierfuer 2 Glasphiolen gespendet, die man heute noch in der Kirche samt Inhalt sehen kann. Man nennt es auch den spanischen Gral.

Der Pass zum O Cebreiro heisst bei deutschen Pilgern auch "Oh Krepiero". Ich kann dem nur voll zustimmen. Die Landschaft traumhaft schoen, aber stundenlange Anstiege. Am liebsten waere ich zum Schluss auf allen vieren ins Dorf gekrochen.
Das Dorf ist sehr nett, aber mittlerweile auch sehr touristisch. Es ist keltischen Ursprungs (wie vieles in Galicien) und hat noch sehr alte Huetten und urige Restaurants/Bars. 5 Haeuser und eine Kirche :-)
Die Herberge war das Grauen. Schlechte Luft und schlecht organisiert.
Wusel hatte wegen ihres Fusses die Light-Version ueber 4,5 km genommen. Bis dahin war sie mit dem Bus gefahren und hatte sich ein nettes Einzelzimmer im Hotel genommen. Abends haben wir uns ein Pilgermenue gegoennt und morgens haben wir uns um kurz vor 7 in der einzigen geoeffneten Bar des Ortes beim Fruehstueck getroffen.
Da es leicht schneite wollte Wusel lieber den Weg an der Strasse entlang gehen. Also haben wir uns getrennt und ich bin durch die Bergwaelder runter (und wieder hoch und wieder runter und wieder hoch....aechz). Man konnte keine 10 m sehen; Nebel, Schneeregen und in tieferen Lagen dann Dauerregen.

Ich wollte gerne im Kloster von Samos uebernachten (eines der aeltesten Kloester in Europa aus dem 5./6. Jahrhundert) und dort die gregorianische Vesper und den Abendgottesdienst mit den Moenchen feiern. Das bedeutete aber auch ueber 30 km Etappe durch die Bergwelt. Es regnete immer noch in Stroemen, meine Hose war bis zum Poncho klitschnass und sogar der Poncho wurde nach einigen Stunden Dauerregens leicht undicht. Auf den letzten 10 km gab es dann kein Zurueck mehr. Es ging nur noch durch kleine Doerfer und man sah wegen des Dauerregens fast keine Menschenseele. Nur jede Menge bekloppte Pilger ;-).

Ich wuerde euch gerne noch mehr von der Etappe erzaehlen, aber leider sitze ich an einem Computer mit einer Edelstahltastatur, bei der man jeden Buchstaben einzeln fest druecken muss (habe ich auch noch nie gesehen) und es ist anstrengend.

Ich habe es dann mit schmerzenden Fuessen und Knochen und 8 Std. Gehens im Dauerregen dann doch noch bis Samos geschafft. Schritt fuer Schritt durch tiefen Matsch und Geroell. Ich hatte aber keine schlechte Laune. Ich war einfach nur voellig erschoepft. Im Kloster gab es einen Riesenschlafsaal und da habe ich nach einer (kalten) Dusche erstmal ein Nickerchen gemacht.
Danach hatte ich eine Klosterfuehrung und anschliessend die Vesper mit den Moenchen. Diese fand in einem relativ kleinen Raum statt, da die grosse Kirche noch zu kalt ist und nur im Sommer genutzt wird.
Anschliessend habe ich einen Moench gefragt, ob er mir mein Benediktskreuz segnet,was ich schon seit einigen Jahren habe. Er hat mich an die Hand genommen und ist mit mir in die grosse Kirche gegangen und hat es dort gesegnet. Jetzt habe ich immer eine schoene Erinnerung, wenn ich mein Kreuz angucke:-).

So, es wird mir mit dem Tippen zu anstrengend. Sollte ich heute noch einen tauglichen Computer finden, schreibe ich nochmal.

Ultreia
Silvia

Mittwoch, 12. Mai 2010

Trabadelo




Hola zusammen,

nach einer erstaunlich ruhigen und sogar relativ warmen Nacht in unserer "Umkleidekabine" sind wir heute morgen wieder mit prasselndem Regen geweckt worden.
Es war 6 Uhr und so haben Ulla und ich uns nochmal umgedreht, in der Hoffnung, der Regen moege nachlassen. Um 8 Uhr hatte der Regen zwar etwas nachgelassen, aber war es war immer noch ein schoener Landregen. Also wieder Schildkroete oder auch Quasimodo.
Poncho ueber und los. Es ging durch schoene Weinberge und Matschwege nach Villafranca de Bierzo. Ein sehr schoenes Bergdorf, welches die mittelalterlichen Pilger auch Klein-Compostela nannten, da Kranke und Schwache, die die Wallfahrt ueber den hohen Cebreiropass (der morgen kommt) nicht forsetzen konnten, auf den Stufen der Puerta del Perdon (Gnadenpforte) den gleichen Ablass, wie am Apostelgrab erhielten. Da heiliges Jahr ist, sollte die Puerta del Perdon auch eigentlich geoeffnet sein. Ich habe ja ueberlegt, ob ich mich krank oder schwach fuehle und mir die letzten 200 km spare *lach*. Nein, nicht wirklich. Denn die Pforte war auch zu. Also kein Pardon und kein Suendenablass. Dann habe ich doch bis Santiago noch Zeit ein paar kleine Suenden zu begehen.
Habe ich heute auch schon. Ich habe heimlich in einer Kirche fotografiert, in der fotografieren verboten war ;-). Wahrscheinlich als Strafe fuer mich sind die Fotos aber auch nicht so toll geworden.

In Villafranca habe ich dann auch Wusel getroffen, die mit dem Bus aus Ponferrada angereist kam und noch einen Tag dort Pause macht um sich morgen mit ihren neuen Einlagen auf den O Cebreiro zu stuerzen. Wir wollen uns oben treffen, da wir verschiedene Startpunkte haben. Ich hoffe, wir kommen beide an ;-).

Ich erspare mir uebrigens hier im Blog groesstenteils die Details ueber die Orte. Ich denke, ihr braucht nur bei Google Bilder den Ortsnamen eingeben und bekommt schon schoene Bilder. Ihr solltet euch unbedingt die Templerburg von Ponferrada angucken. Die war schon sehr eindrucksvoll.

Da wegen des Dauerregens der Camino duro also nicht in Frage kam, musste ich heute stundenlang neben der Landstrasse herlaufen. Es war zwar eine schoene Umgebung, aber das Latschen auf Asphalt als rote Schildkroete war schon sehr anstrengend.

Ich bin jetzt auch ziemlich erledigt und ganz gluecklich, dass ich in dieser kleinen netten Herberge gelandet bin. Der Hospitalero heisst Jorge (Georg) und erinnert mich total an meinen Neffen Sascha (huhu Saschi...viele Gruesse!!). Als ich ihm erklaeren wollte, dass mein Bruder und mein Vater auch Georg heissen, hat er mich gefragt, ob mein Vater auch noch hier schlaeft. Hhhhmmmm ich muss unbedingt an meinem "Spenglisch" arbeiten....
Auf jeden Fall habe ich ihm gerade meine gesamte heutige Waesche in die Waschmaschine geschmissen, einschliesslich meiner Doppeljacke.
Satte 8 Euro kostet das Waschen und Trocken (die Uebernachtung nur 6!!). Aber das war mir egal. Ich brauche jetzt einfach mal das Gefuehl maschinengewaschener Waesche.

Ach...hatte ich schon erwaehnt, dass ich heute in einem richtigen Haus mit Heizung schlafe. Herrlich! Es ist ein Landhaus und hat unten noch eine Bar, in der ich gerade mit zwei Maedels aus Bad Laer (also Muensterlaenderinnen) vor dem Kamin sitze (ich hab ja schliesslich keine Jacke mehr...sie wird ja grad gewaschen).

Es sind immer mehr Pilgergruppen unterwegs, die ihr Gepaeck transportiert bekommen und abends in Hotels uebernachten.
An Wusels und meinem ersten Wandertag sprach uns eine Frau aus Bayern an:" Ja mei...Sie ham's aba a schwerrren Rucksackl. Naaa mir bekomms unsrrr Sachn transportiert...jaaa, deees is scheeeee. Und abends hamma scho a scheeenes Hotel." "Hhhhhmmmm, toll". Ggggrrrr. Ich habe dann nur "pppppsssst" zu Wusel gesagt und wir haben einen dezenten Schwenk von der Strasse weg gemacht und uns auf eine Lichtung mitten ins Heidekraut gelegt. Die Gruppe haben wir dann erstmal weiterziehen lassen.
Wie das wohl auf den letzten 100 km wird.
Aber Silvia......du bist gaaaanz ruhig. Jeder auf seine Art und Weise. Meine Pilgerseele ist voellig ausgeglichen....oooooohhhhhhhhmmmmmm. Aber trotzdem haette sie die Klappe halten koennen ;-)).

Heute hatte ich allerdings eine nette Truppe dieser Art vor mir. Sie waren sehr froehlich und wollten mich mit Datteln fuettern. Bewunderswerterweise sind auch sie tapfer durch den Regen an der Landstrasse gestapft, obwohl ihr "Aufpasser" staendig mit dem Bulli auf und ab fuhr, falls jemand doch lieber Auto fahren wollte.

So, jetzt werde ich mal wieder ein paar Fotos versuchen hochzuladen.

So..hat mal wieder 20 Min. gedauert, aber es hat ja geklappt. Das erste Bild erklaert sich von selbst. Schoene Landschaft auf dem Weg ;-). Das zweite zeigt unsere Herberge von gestern mit den Eingaengen zu den Zweierschlaf"zimmern" und das dritte Bild zeigt mich beim Tagebuchschreiben. Das Licht war zu schwach, also musste ich mit meiner "Grubenlampe" schreiben.

Ultreia
Silvia

P.S. hatte ich schon erwaehnt, dass ich heute eine richtige Dusche in einem richtigen Badezimmer hatte ;-))!!

Dienstag, 11. Mai 2010

Cacabelos


Hola und guten Abend zusammen,

ich gruesse euch alle aus Cacabelos. Habe heute leider meine Mitpilgerin Wusel in Ponferrada zuruecklassen muessen, da ihr Fuss nicht mehr mitgemacht hat.
Ich habe gerade eine sms von ihr bekommen, dass sie eine Entzuendung im Muskel unter dem Fuss hat und sich nun orthopaedische Einlagen besorgen muss.
Hoffentlich hilft es was. Meine Erfahrung ist ja eher, dass man die Einlagen wochenlang einlaufen muss. Ich hatte meine 3 x zum Nachbessern, bis ich auf ihnen laufen konnte.

Falls Wusel das hier liest, auf diesem Wege "Gute Besserung Peregrina!".

Nachdem ich Wusel in Ponferrada zurueckgelassen hatte, ging es fuer mich weiter ueber lange Vororte. In einem relativ verlassenen Vorort war tatsaechlich mal das Eisentor vom Friedhof auf, so dass ich die Chance genutzt habe, mir mal einen spanischen Friedhof anzugucken. War wirklich interessant. Sie haben ueberwiegend Faecher, in die die Saerge reingeschoben werden und die dann mit Granitplatten verschlossen werden.
Vor den Platten kann man dann Blumen in Vasen stecken (kennt man auch aus amerikanischen Filmen). Auf dem Friedhof war eine alte Spanierin, die mich noch nett gegruesst hat und dann hoerte ich das Tor ins Schloss fallen. Ich dachte noch:"Das gibts doch nicht, die hat dich doch gerade gesehen!" Als ich zum Tor ging, war es tatsaechlich abgeschlossen. "Na toll...eine Nacht auf einem spanischen Friedhof!" Ich habe geruckelt und gewackelt und nichts tat sich. Als ich gerade ueberlegte, ob ich mit 10 kg Rucksack ueber ein ca. 2,50 m hohes Eisentor komme, oder ob ich rufen soll (was wahrscheinlich sinnlos gewesen waere, weil ich vorher nur einen Bauern auf seinem Weinberg gesehen hatte, der mit seinem lauten Traktor beschaeftigt war), entdeckte ich in den Boden eingelassen einen Metallstab. Leider funktionierte das auch nicht. Gerade als ich dann doch anfangen wollte zu rufen, habe ich gesehen, dass das Eisentor von aussen ziemlich weit unten (also da, wo man normalerweise nicht sofort hinguckt) einen Riegel hatte. Mit ein bisschen Schwung und den Armen durch die Gitterstaebe habe ich es dann aufgekriegt. Ich habe glaube ich einen Hoellenlaerm gemacht, denn die alte Spanierin kam wieder angelaufen und hat mich mit einem Wortschwall ueberschuettet von dem ich nur "Puerta" verstanden habe. Wahrscheinlich war das sowas wie:"Du bescheuerte Pilgerin kriegst nichtmal die Tuer auf. Was haste auch auf unserem Friedhof zu suchen...." Ich hatte die Nase gestrichen voll und normalerweise versuche ich immer irgendwie mit Haenden und Fuessen und ein paar Brocken spanisch zu antworten, aber diesmal habe ich sie mit einem deutschen Redeschwall ueberschuettet."Ich verstehe kein Wort. Ich bin Deutsche usw." Ploetzlich fing sie an zu lachen, streichelte ueber meinen Arm und wuenschte mir einen guten Weg. Geht doch ;-)).

Nach einer wunderschoenen Etappe durch Weinberge, bei der ich dann auch noch meine Mitpilgerin Ulla (kenne ich schon seit den ersten Tagen) getroffen habe, sind wir hier in einer Herberge gelandet, die echt unglaublich ist.
Rund um die Kirche sind 2-Betten-Kabinen im Kreis angeordnet. Es ist original so, als wenn man in Umkleidekabinen bei Stapelskotten schlafen wuerde. Wenn es nicht so schweinekalt waere, waere es ja noch witzig. Aber wir frieren uns hier den A....ab.
Ingrid hat gerade aufgegeben und geht ins Hotel. Ulla und ich wollen hart bleiben.
Ich kann Ulla doch jetzt in der Bude nicht alleine lassen.
Wir werden uns gleich ein Restaurant suchen und uns mit Wein volllaufen lassen ;-)).

Zu unserem vollen Glueck gewittert es seit ca. 2 Stunden mit Dauerregen.
Das erspart uns zumindest die Entscheidung, ob wir morgen den Camino duro gehen, also die harte Alternativetappe, die wir eigentlich vorhatten. Denn der ist nun vermatscht und ueberflutet.

So...die naechsten moechten an den Computer. Ich verabschiede mich daher fuer heute.

Ultreia

Silvia

Montag, 10. Mai 2010

Molinaseca - Cruz de Ferro



Hola zusammen,

wir gruessen aus den Montes de Leon, die wir in den letzten beiden Tagen erklommen haben. Wusel ist nach einer Irrfahrt wegen der Vulkanasche vorgestern abend in Astorga angekommen (Umweg ueber Madrid und dann Leihwagen mit zwei "wildfremden" Pilgern - wenn das kein Einsatz ist :-)). Gestern abend haben wir in Rabanal uebernachtet. Ein kleines Bergdorf (ohne Internet ;-)). Wir haben in einer Albergue der englischen St. James Bruderschaft uebernachtet. Ein sehr altes (700 Jahre) Haus, welches teilweise restauriert wurde, teilweise aber noch original erhalten war. Die Hospitaleros (ein spanischer Arzt und ein Mann und eine Frau aus England) waren saemtlichst auch hier wieder ehrenamtlich taetig. Man hat wieder eine Spende gegeben und der Five o´clock tea wurde puenktlich serviert.
Wusel (Anja :-) - im Folgenden IMMER Wusel genannt, weil ich das so gewohnt bin) hat ihren Tee sogar im Garten serviert bekommen.
So schoen die Betreuung war, so schrecklich war der Schlafsaal. Eng zusammengepfercht und schlechte Luft, da der Kaminschacht mitten durch den Schlafsaal lief und der Kamin die ganze Zeit voll befeuert wurde. Wusel hat eine Krise gekriegt und heute morgen gesagt:"Wenn alle Herbergen so sind, dann war´s das fuer mich!" Heute haben wir aber eine schoene Herberge und sie ist besaenftigt ;-).

Gestern abend war ich noch in der Pilgermesse in der ururalten Dorfkirche. Es war wieder sehr schoen. Sie wurde in gegorianischer Tradition gehalten und der Moench, der die Messe gefeiert hat, hat gregorianisch gesungen. Dann wurden die Lesungen wieder in mehreren Sprachen gehalten. Sehr ergreifend.

Heute morgen haben wir uns dann an den Anstieg zum Cruz de Ferro gemacht. Dem Holzkreuz, wo fast alle Pilger einen mitgebrachten Stein ablegen. Symbolisch fuer etwas, was sie auf dem Camino lassen wollen, oder wie es im Reisefuehrer steht, kann man auch ein Gebet sprechen, dass dieser Stein im Himmel die Waagschale zu Gunsten des Pilgers kippt. Na ja...wer´s braucht sollte dann schon einen dicken Stein mitnehmen, obwohl, manchmal reicht ja auch ein Reiskorn, um eine Waagschale zum Kippen zu bringen.

Die Bergetappe war sehr anstrengend, weil es auf 1.500 m Hoehe hochging und das ueberwiegend ueber Stolperpfade. Fuer mich war es allerdings eine der schoensten Etappen des bisherigen Weges. Insbesondere, wenn man aus der Kargheit der Meseta kommt.

Wusel hat dann in El Acebo ihren Weg fuer heute beendet. Ihr Fuss hat gestreikt. Wie gut, dass sie fliessend spanisch spricht, so konnte sie sich ein Taxi ordern, welches sie direkt hierhin gebracht hat. Das war fuer mich auch gut, denn so hatte ich mein Bett fuer heute sicher ;-).
Ich habe dann noch die restlichen 9 km zu Fuss gemacht und bin durch ein wunderschoenes Tal gegangen. Es wird das Tal des weissen Ginsters genannt. Das war so schoen. Ich kann mich nicht erinnern schon einmal in meinem Leben so etwas gesehen zu haben. Man war umgeben von Hunderttausenden weissen Ginsterbueschen. Dadurch plaetscherte ein Bach und es waren wunderschoene Blumen am Weg.
Es war wie im Maerchen.

Mal sehen, vielleicht kann ich gleich ein paar Fotos hochladen.
So, hochladen ist fertig, das erste Foto zeigt das Cruz de Ferro (als ich den Stein abgelegt habe, war die Pilgergruppe aber nicht mehr da ;-) und das zweite einen Ausschnitt aus dem Tal des weissen Ginsters.

So, ich bin fertig fuer heute. Jetzt moechte euch die liebe Wusel noch gruessen.

Ultreia
Silvia

So, Ihr Lieben, ich werde mich dann mal als Gastblogger betaetigen...
Bin am Sonntag morgen von Silla abgeholt worden, und ich war abends in Rabanal nach 21 km ziemlich fertig, aber auch sehr stolz auf mich...
Die etappe heute hatte es in sich - Aufstieg bei Regen (mal Landregen, mal etwas heftiger...)ueber schmale, steinige Pfade, bei denen man sehr darauf achten muss, wohin man tritt.
Aber diese Berge - UND DIE STILLE!!! WUN-DER-BAR!!!
Das Laufen haelt warm...am Cruz de Ferro auf 1500m rieselte eine Zeit der Schnee in kleinen Flocken auf uns herunter. Bei 4 Grad war das mitgebrachte Wasser schoen kalt :)
Langer, anstrengender Weg bergab.. Silvia alias Miss Iron Camino macht sowas, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber viel Naesse und Pfuetzen und laufen durch Matsch (in der Fachsprache heisst das *Fangopilgern* habe ich heute gelernt)..in El Acebo war ich fix und fertig...also habe ich mir -und das ohne schlechtes Gewissen- ein Taxi bestellt.Man war keineswegs erstaunt...das laeuft oefter.
Michel, herzlichen Dank fuer Deinen Rucksack!!! Nun ist er auch richtig eingestellt, und ich trage nicht mehr die ganze Last auf meinen Schultern.
Bin gespannt auf die naechsten Etappen.
Im Uebrigen muss noch erwaehnt werden, dass Miss Peregrina 2010 heute 26 (!!!) km gelaufen ist - fuer mich waren die 15 schon gefuehlte 25...
Morgen nimmt sie mich wieder mit auf den Weg...mal sehen, ob ich unterwegs wieder einen fahrbaren Untersatz brauche.
Melden uns wieder - buen camino!! Anja

Samstag, 8. Mai 2010

Astorga


Hola zusammen,

ich bin heute nach einer der schoensten Etappen, die ich bisher gegangen bin, hier in Astorga gelandet. Morgen kommt meine liebe Wusel, von der ich gerade auch noch eine gaaanz liebe Mail bekommen habe. Ich freue mich schon, auf den weiteren Weg mit ihr.
Es wird sicherlich eine Herausforderung, auf einmal zu zweit zu sein, aber ich freue mich einfach nur. Wusel und ich haben in unserem Leben schon viele Stunden geteilt und da werden wir auch unseren Camino miteinander teilen. Es tut gut, solche Freunde zu haben. Apropos Freunde. Ich denke hier auf dem Camino oefter ueber Freundschaften nach und dass ich mich soooo gluecklich schaetzen kann, einen wundervollen Freundeskreis zu haben. Es sind Menschen, die mich teilweise seit meiner Kindergartenzeit begleiten. Das ist heute ziemlich selten.

Bei dieser Gelegenheit moechte ich doch gleich mal Carmen und Tina eine dicke Umarmung schicken. Tina wird sie sich zwar von Norbert vorlesen lassen, weil sie im Moment internetlos ist, aber ich hoffe, sie kommt trotzdem an ;-).

Als ich heute durch diese atemberaubend schoene Landschaft gelaufen bin und gemerkt habe, dass die Natur fast wie eine Droge wirkt, so berauscht ist man, habe ich ploetzlich an einer Wegkreuzung einen aussergewoehnlichen Ort entdeckt.
Eine alte Bank, die unter einem Baum stand, der aussah wie ein Olivenbaum, davor ein selbstgebauter Tisch mit Kreuzintarsien, davor ein grosses Kreuz und daneben ein Pilger aus Beton, dem normale Klamotten angezogen waren. Neben der Bank war noch eine Christusfigur aus Messing auf einem Steinhaufen. Es war voellig surreal, aber der Ort hatte eine unglaubliche Ausstrahlung. Ich habe mich dann auf die Bank gesetzt und den Blick ueber die Huegel und die Weite genossen.

Dabei kam mir die Idee, dass dies ein wundervoller Ort sei, um fuer eine mir nahestehende Person zu beten. Ich habe also meinen Rosenkranz genommen und das Christusgebet, welches Hans Gerd mich gelehrt hat, gebetet. Nach einiger Zeit kamen Pilger vorbei und ich wurde unfreiwillig zum Fotomodel. Zwei Mal wurde ich gefragt, ob sie mich beim Beten fotografieren duerften. Das sah wahrscheinlich richtig caminomaessig aus ;-)). Na ja...mal sehen in welchen Buechern ueber den Camino ich mich wiederfinde. Wie dem auch sei. Es war ziemlich komisch, so beim Beten fotografiert zu werden, aber es war ok. Ich habe hier auf dem Camino sowieso eine ganz andere Art des Betens kennengelernt.
Mal sehen, wieviel man davon in den Alltag mitnimmt. Mein liebstes Beten ist aber nach wie vor die innere Zwiesprache mit Gott und ich bekomme auch immer Antworten.

Eine Antwort hat er mir heute in Form einer Person gegeben. Als ich eine neue SD-Karte in meine Kamera legte, kam ein Paerchen des Weges. Wir kamen ins Gespraech und sind ein Stueck zusammen gegangen. Der Mann erzaehlte mir, dass er frueher ein Workoholic war. Er war selbststaendig mit mehreren Gastronomiebetrieben an einem absoluten Touristenort (ich sage jetzt nicht wo, denn dann wuerde ich ihn outen, so bekannt ist dieser Ort). Es waren immer viele Touris dort und die Hektik hat ihn aufgefressen. Er sagte, dass die Japaner sogar mit Stoppuhr dasassen und einige Touris sich Vorspeise, Hauptgang und Dessert zusammen bringen liessen, um Zeit zu sparen. Irgendwann hatte er gesundheitliche Probleme und ging zu einem Prof. Dieser sagte ihm, das sei die Psyche. Stress!
Also fing er an zu joggen und es hat ihm gutgetan.
Einige Jahre spaeter hat er sich ueberlegt, dass er das alles nicht mehr will und hat sein grosses Haus (Villa?) verkauft, ebenso wie seine Restaurants und hat sich ein ganz kleines Haus im Allgaeu gekauft. Mitten im Wald. Im Winter kommt er teilweise nicht mal mit dem Auto bis ans Haus.
Hier ist er jetzt seit 7 Jahren gluecklich. Er sagte: "Wer kann schon aus dem Fenster 14 Rehen beim Fressen zusehen?"
Viele haben ihn belaechelt und ihn "Alm-Oehi" genannt, aber er hat sein Ding durchgezogen. Er hat es keine Minute bereut.

Da musste ich an Guido und mich denken und daran, dass unser Wunsch ein helles, freistehendes Haus ist. Nachdem ich mit Peter gesprochen hatte, hatte ich den festen Wunsch in ein helles Haus mit viel Gruen drumherum zu ziehen.
Guido...fang schonmal an zu suchen :-)).

Ist schon witzig, auf welche Gedanken man durch die Gespraeche mit den Menschen hier immer wieder gestossen wird. Aber wie sagte es Peter heute:" Es gibt Millionen Verrueckte auf der Welt und die ganz Verrueckten sind so bescheuert und gehen die vielen Hundert Km nach Santiago! Also hast du hier schon von vornherein eine Auslese und triffst auf Seelenverwandte!" Also es gruesst die Verrueckte :-)).

Im uebrigen bin ich heute in einer Herberge gelandet, die von einem spanischen Jakobusverein gefuehrt wird. Es ist eine grosse Herberge, aber sehr sauber, sehr nette Hospitaleros und kleine Schlafraeume.
Als ich gerade auf meinem Bett sass, kam "Madonna mia!" in mein Zimmer. So sieht man sich wieder :-). Heute haben wir aber feste Matratzen.

So, jetzt werde ich erstmal die Stadt erkunden.

Ultreia
Silvia

Freitag, 7. Mai 2010

Hospital de Orbigo - Nachtrag Fotos




Da der Computer sehr langsam ist, habe ich erstmal den Post gesichert und versuche jetzt die Bilder :-). Da ich jetzt 20 Min. fuer 3 Bilder gebraucht habe, lasse ich es jetzt. Das erste Foto ist Marias T-Shirt, das 2. Foto ist der Sonnenuntergang am Froschteich und das 3. Foto ist der Innenhof der Albergue in der ich gerade sitze.

Ultreia
Silvia

Hospital de Orbigo

Hola zusammen,

heute gibt es mal wieder Bilder. Aber spaeter.
Erst muss ich noch von der netten Herberge gestern abend erzaehlen. Unser Hospitalero Pepe hat gestern abend fuer uns gekocht. Es war sehr lecker. Salat als Vorspeise, dann Zwiebelsuppe, was natuerlich grosses Gelaechter gab, da wir ja alle in einem Schlafsaal schliefen, als Hauptgericht eine vegetarische Paella und als Nachtisch Karamelpudding. Alles total liebevoll angerichtet und die Kueche war soooo sauber und sooo gross mit allem was das Herz begehrte. Das habe ich auf dem ganzen Camino noch nicht gesehen.

Witzig waren die Betten. Sobald man sich auf das Bett gesetzt hat, hat man mit dem Hintern fast auf dem Boden gesessen. Als ein etwas staemmiger Italiener sich auf das Bett fallen liess, schrie er nur:"Madonna mia!" und kam gar nicht wieder hoch. Wie ein Kaefer auf dem Ruecken lag er in seinem Bett. Ich hab mich nicht mehr eingekriegt.

Heute morgen haben wir uns nochmal von Pepe beim Fruehstueck verwoehnen lassen und sind langsam losgezuckelt (jeder fuer sich). Pepe hat uns sogar selbstgebackene Churroz zum Fruehstueck gemacht. Das ist ein fritiertes Gebaeck. Sehr lecker, aber auch sehr maechtig.

Da ich wusste, dass ich heute nur ca. 15 km zu gehen habe, bin ich gaaanz langsam gezuckelt. Nach ca. 1 1/2 Std. ist mir etwas ziemlich peinliches passiert. Da es aber irgendwie auch zum Lachen ist, oute ich mich jetzt hier mal. Ich merkte, dass ich unbedingt den Kaffee wegbringen musste, den ich bei Pepe noch zum Fruehstueck getrunken hatte und da wir uns hier in einer Gegend befinden, in der endlich wieder Buesche und Baeume stehen, hatte ich mir gerade einen netten Busch gesucht und mich ins Unterholz geschlagen (wie viele andere Pilger unterwegs auch ;-)), als ploetzlich etwa 10 m neben mir ein Polizeiwagen hielt.
Ich dachte nur:" Na toll...darf man sich auf dem Camino nicht in die Buesche schlagen? Was machst du denn jetzt, wenn er zu dir kommt? Oh Mann, oh Mann, auf dem Camino verhaftet. Bitte lieber Gott, lass sie weiterfahren!" Ich habe mich dann gaaanz tief in meinem Busch verkrochen und sie sind weitergefahren.

Als ich wieder rauskam habe ich gesehen, was ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Am Feldweg lag eine rote Decke. Auf den ersten Blick sah es so aus, als ob da jemand schlaeft. Es war also nur eine Kontrolle. Ich bin also der Gefaengniszelle nochmal entkommen. Hinterher musste ich mich erstmal ueber mich selbst kaputtlachen.
Dass ueberhaupt mitten in der spanischen Pampa auf Feldwegen Polizei patroulliert, wundert mich hier immer wieder. Ich glaube, sie sammeln verlorengegangene Pilger wieder ein.

Kurze Zeit spaeter fing es an zu regnen, so dass mein Regenponcho das erste Mal zum Einsatz kam. Ich sah aus wie Quasimodo, der Gloeckner von Notre Dame.
Nachdem ich dann ca. 1 1/2 Std. durch den Regen gegangen war, tauchte die Bruecke von Hospital de Orbigo vor mir auf. Ich glaube, es ist die laengste historische Bruecke auf dem Jakobsweg. Ein liebeskranker Ritter nebst seinen Mannen hat hier frueher immer andere Ritter auf der Bruecke zum Duell aufgefordert.

Ich bin aber heil darueber gekommen, ohne dass ich mich duellieren musste. Bei den Rittern bin ich aber dennoch gelandet und zwar in einer Herberge des Malteserordens.
Total urig hier.
Ich war erst mit Dave alleine auf dem Zimmer, aber langsam trudeln auch andere Pilger ein. Dave kommt aus Amerika und ich konnte nach einigen Tagen des Deutschsprechens mal wieder englisch babbeln. In der ersten Woche habe ich fast nur englisch gesprochen. Ich habe mich sogar beim Laufen dabei ertappt, dass ich in englisch gegruebelt habe. Es geht doch ;-)). Nach ein paar Tagen des Deutschsprechens muss man dann erstmal wieder umdenken, aber das geht immer schneller und immer besser. Zwischendurch noch ein paar Brocken italienisch oder spanisch und das Multikulti ist perfekt. Gestern abend habe ich auf finnisch noch "Guten Appetit" gelernt, aber das habe ich wieder vergessen. War ganz schoen kompliziert.

Auf jeden Fall hat Dave mir gerade ein Kompliment gemacht. Er war voellig ueberrascht, dass ich aus Deutschland komme, weil ich fliessend Englisch spreche.
Whow. Mein Englisch scheint sich hier wirklich zu verbessern. Ich erweitere ja auch mein Vokabular staendig (schnarchen, Bettwanzen....).
Aber fliessend.....
Ich glaube wirklich, man muss die Sprache Tag und Nacht sprechen und flugs ist man drin. Vielleicht sollte ich Florian und Max doch noch ueberreden ein paar Auslandsmonate zu machen. Wahrscheinlich erschrecken sie jetzt, wenn sie das lesen :-)).

So, jetzt versuche ich mal ein paar Fotos hochzuladen.

Ultreia und alles Liebe

Silvia

Donnerstag, 6. Mai 2010

Léon - Villar de Mazarife


Hola zusammen,

da war ich doch gestern in der groessten Grossstadt (schreibt man das jetzt mit 3 s, wenn man kein sz zur Verfuegung hat¿) und hatte kein Internet ;-).

Mein Weg hat mich gestern fast komplett neben der Nationalstrasse und durch Autobahnbaustellen nach Leon gefuehrt. Es war einfach schrecklich. Ich habe gedacht, als richtiger Pilger fahre ich nicht wieder mit dem Bus durch die Industriegebiete, sondern laufe. Aber es war sooooo fuerchterlich. Ich hatte das Gefuehl, dass meine Fuesse gar nicht mehr laufen wollten. Es hat gestunken (nach Abgasen), es gab kaum Natur und es war laut und hektisch.
Als ich dann voellig fertig in Leon ankam (ar...kalt war es auch noch) habe ich die erste Albergue angesteuert, die ich gesehen habe. Es sah nett aus. Ein altes Kloster.
Ich habe mir brav meinen Pilgerstempel abgeholt und eine Spende in die Spendenbox geworfen. Der nette Hospitalero hat mir dann den Schlafsaal gezeigt und da war es dann aus mit mir. Nach Stunden des fuerchterlichen Pilgern durch Industrievororte, bekam ich einen Schlafsaal praesentiert, der voll lauter Italienerinnen war und Betten aus dem zweiten Weltkrieg hatte. Gefuehlte 50 Betten (wahrscheinlich eher 20, aber egal).
Ich habe mich dann total frustriert auf das mir zugewiesenen Bett gesetzt und gegruebelt. Fuesse schmerzten, ich war quengelig, wie ein kleines Kind und wollte eigentlich nur schlafen. Doch dieser Raum...das war definitiv zuviel des Guten. Ich hatte wohl eine Ueberdosis Mensch bekommen. Ich wollte keine Schnarcher, keine laermenden Italiener und keine Tuetenraschler mehr.
Also bin ich verschaemt aufgestanden, habe mir gedacht:"Irgendwo hat alles seine Grenze" und bin schweigend und mit eingezogenen Schultern aus diesem Kloster gefluechtet.
Ich hatte im Internet ein nettes Hostal gesehen. Da wollte ich mich einnisten.
Das war jedoch leichter gesagt, als getan. Ich bin dann noch ca. 1 1/2 Std. durch Leon geirrt, um die Strasse zu finden.
Gefunden habe ich eine nette deutsche Baeckerei mit einer netten Verkaeuferin.
Ihre Eltern waren als Gastarbeiter in Deutschland und sind dann zurueck nach Leon.
Sie war in Deutschland aufgewachsen, wusste aber leider auch nicht, wo die Strasse ist. Die 5 Spanierinnen an der Theke diskutierten 5 Varianten, um sich dann darauf zu einigen, dass ich einen Polizisten fragen sollte.
Voellig erledigt, aber versorgt mit einem Croissant und einem Kaffee habe ich mich erstmal auf eine Bank gesetzt. Ich wollte keinen Schritt mehr gehen.
Bin ich aber dann doch und habe gedacht:"Lieber Gott, wenn ich jetzt schon fuer dich nach Santiago gehe, koenntest du mich doch wenigstens zu dieser Strasse fuehren!"
Und dann geschah ein kleines Wunder. Keine Minute nachdem ich das gedacht hatte, fiel mein Blick auf ein Strassenschild und voila....es war die gesuchte Strasse.
Ich habe mich fuer die prompte Erledigung meines Gebets bedankt und bin in das Hostal. Sie hatten auch noch ein Zimmer fuer mich, so dass ich den totalen Luxus hatte, in einem Raum nur mit mir alleine zu liegen. Whow....das war ich ja gar nicht mehr gewohnt. Ich habe dann erstmal in der nanokleinen Dusche geduscht und mich anschliessend aufs Bett gelegt. Binnen Sekundenbruchteilen war ich eingeschlafen und habe 3 Stunden tief und fest geschlafen.

Danach sah die Welt schon wieder besser aus und ich bin zur Kathedrale gegangen.
Auf dem Vorplatz klopfte mir jemand auf die Schulter. Es war Manfred aus dem Froschdorf. Waehrend wir uns unterhielten, gesellte sich noch eine deutsche Pilgerin (Simone) dazu und wir sind erstmal einen Kaffee trinken gegangen.
Als wir dann vor der Kathedrale im Cafe sassen, klopfte mir wieder jemand auf die Schulter. Es war Sandoshi, die morgens mit dem Bus gekommen war.
Ohne irgendwie verabredet zu sein, hatten wir uns alle gefunden.

Wir waren dann abends noch nett essen (d. h. die anderen, ich hatte nachmittags noch gegessen) und dann war ich auch frueh in der Heia.
Allerdings habe ich dann gemerkt, wie hellhoerig das Hotel war. Das Paerchen neben mir machte sich auf den Weg ins "feuchte Viertel" von Leon. Klingt schluepfrig, ist aber nichts anderes als das Kneipenviertel.
Als sie heute morgen um 1.45 Uhr wiederkamen, habe ich jedes Wort verstanden.
Bevor ich noch mehr von der Beziehung mitbekomme, was ich ueberhaupt nicht hoeren will, habe ich mich dann entschlossen, mit Ohrstoepseln zu schlafen.
Na toll...da hat man mal ein Einzelzimmer und schlaeft mir Ohrstoepseln ;-)).

Heute morgen habe ich dann die gleiche Pilgersuende begangen, wie in Burgos und habe die Industrievororte von Leon mit dem Bus durchfahren. Diese Tor"tour" wollte ich mir nicht nochmal antun. Nach der Erfahrung gestern habe ich gemerkt, dass das mit Pilgern nicht wirklich was zu tun hat. Ist aber nur meine Auffassung. Ein bisschen schlechtes Gewissen habe ich ja schon :-(.
Dafuer habe ich heute die Alternativroute genommen, die landschaftlich schoener, dafuer aber einige Kilometer laenger ist. Damit habe ich dann ein bisschen wieder gutgemacht.
Ach ja...und ich bin ein Engel.....*fettes Grins*. Als ich heute die Alternativroute ging, habe ich einem amerikanischen Paerchen geholfen, welches gestern erst angekommen war. Sie waeren fast den Weg an der Nationalstrasse gelaufen. Da sagte Bob zu Kathy: "You see Kathy! I told you. God has send us an angel!"
So...damit das mal geklaert ist ;-)).

Heute nachmittag haben wir hier in der Albergue voll den Luxus. Es gibt Liegen! Wir sind bei 4 Grad heute morgen losgelaufen und heute nachmittag haben wir schoen in der Sonne gelegen. Herrlich!

So...gleich gibt es Abendessen.

Ultreia

Silvia

Dienstag, 4. Mai 2010

Mansilla de las Mulas

Hola zusammen,

viele Gruesse von der Windbraut. Es ist nach wie vor stuermisch und ich bin heute die gesamte Strecke dick eingepackt gegangen. Viele Pilger, die aufgrund der Hitze in den letzten Tagen schon einige Teile weggegeben hatten, haben das heute bitter bereut. Man hat halt alles angezogen, was man so im Rucksack hatte ;-). Ich brauchte das Gott sei Dank nicht, denn ich habe ja meine dicke Doppeljacke. Als es so warm war, habe ich mich oft darueber geaergert, dass ich diese 1,2 kg, die diese Jacke wiegt, mit mir rumschleppe. Heute waren sie Gold wert.

Der gestrige Abend war noch sehr schoen. Die Herberge war zwar total beengt, aber das Publikum witzig. Als ich mich nachmittags zur Siesta in mein Bett gelegt habe, habe ich erstmal die Gruesse studiert, die auf den Latten des Lattenrostes ueber mir standen. Der aelteste Gruss war von 1989 oder 99, ich weiss nicht mehr so genau. Als dann ein fuelliger Italiener das Bett ueber mir bezog, habe ich heute nacht mehrmals Stossgebete in den Himmel geschickt, dass eben diese Latten doch seit 1999 nur duenne Leute getragen haben moegen ;-). Eben dieser Italiener setzte dann auch noch zum Schnarchkonzert an. Ich hatte abends extra meine Ohrstoepsel unter dem Kissen verstaut, aber irgendwie waren die verrutscht, so dass ich heute nacht tastenderweise 1/2 Std meine Ohrstoepsel gesucht habe. Danach war dann endlich Ruhe und die liebe Silvia konnte schlafen ;-), bis die ersten Italiener heute morgen um kurz vor 6 aufstanden und ein Zimmergenosse sich bei allen mit einem Kuesschen und Gruss verabschiedete ;-).

Gestern abend waren wir noch alle zusammen am Froschteich und haben uns den Sonnenuntergang angeguckt. Hat mich irgendwie an das Café del Mar auf Ibiza erinnert, nur dass es alles andere als stylisch war. Es war aber dennoch genauso schoen. Die Sonne ist halt ueberall die gleiche Sonne. Da es sehr windig war, haben wir uns alle an eine Hauswand gepresst und aneinandergekuschelt. Zurueck in der Herberge hat die Hospitalera ein schoenes Ritual mit uns gemacht.
Wir bekamen einen Korb mit Wolle und jeder durfte seinem Nachbar ein "Freundschaftsbaendchen" umbinden und Segenswuensche fuer den Weg nach Santiago sagen. Danach hat sie das Licht ausgemacht, wir haben uns alle bei den Haenden gefasst und haben bei Kerzenschein ein spanisches Lied ueber den Pilgerweg gehoert.

Danach ist ein Spanier (oder Suedamerikaner) aufgestanden und hat bewegende Worte gesagt, die ich leider nicht ganz verstanden habe. Es ging darum, dass wir seine Familie seien und aehnliches. Er war so bewegt, dass er dabei geweint hat.
Was ich auch sehr anruehrend fand, war der behinderte Vater der Hospitalera. Er sass im Rollstuhl und war teilweise spastisch gelaehmt und konnte sehr schwer sprechen.
Dennoch hat er dieses Ritual mitgemacht und so schwer es ihm fiel in einer sehr bewegenden Weise die Segensworte gesprochen.

Etwas witziges ist mir auch noch in der Herberge passiert. Als ich jemanden auf englisch ansprach, wo der naechste Supermarkt ist, antwortete er mir auf deutsch. Wir kamen ins Gespraech und siehe da, er war in Muenster in der Feuerwehrschule, die bei uns um die Ecke ist und kennt die Kneipe von Erich Haelker.

Heute morgen sind wir erstmal gemuetlich fruehstuecken gegangen und dann habe ich mich wieder von Sandoshi getrennt (mittlerweile ist sie auch hier eingetrudelt). Ich bin die ersten Stunden hinter einer dicken Unwetterwolke hergelaufen und richtig durchgeschuettelt worden.

Ich fand es war das richtige Wetter und die richtige Strecke, um mal wieder ein paar Gebete zu sprechen. Ich hatte ja von Hans Gerd die Idee bekommen, Gebetsanliegen, die mir per Brief oder Mail geschickt worden waren, mit auf den Camino zu nehmen. Ich denke, ich habe schonmal darueber berichtet. Als ich also dann so versunken gebetet habe, war ploetzlich vor mir ein Regenbogen. Das war wunderschoen. Wer die Bedeutung des Regenbogens wissen will, der lese nochmal die Geschichte der Arche Noah nach ;-)). Ich fand es klasse. Diese Gebete sind bestimmt erhoert worden.
Die Strasse nahm und nahm kein Ende, also hatte ich nochmal Zeit die Apostelgeschichte weiterzuhoeren. Als das auch genug war, habe ich das erste Mal auf dem Camino fetzige Popmusik angemacht und bin flotten Schrittes in den naechsten Ort eingelaufen.

Hier war eine total urige Bar. Die ganzen Waende innen und aussen waren mit Spruechen von Pilgern bemalt und der Wirt war irre sympathisch und witzig. Fuer 1 Euro hat man einen frisch gemahlenen perfekten Kaffee bekommen. Da habe ich erstmal eine ausgiebige Pause gemacht und mich dann fuer den Rest des Weges zu ruesten.

Es kamen immer mehr vermummte Pilger an. Einige hatten sich sogar ihre Pullover ins Gesicht gebunden, nur um Schutz vor dem Wind und dem rumfliegenden Staub zu haben.

Auf der letzten Strecke heute ist etwas eigenartiges passiert. Ploetzlich kamen viele Gedanken ueber Dinge hoch, die ich schon laengst abgeschlossen waehnte.
Es war das erste Mal, dass ich psychisch "angegriffen" war. Aber ich denke, das gehoert dazu und ist gut so. Mal sehen, was noch so kommt. Ich habe mich nachdem ich geduscht hatte, erstmal ausgiebig hier ins Bett gelegt und noch gegruebelt. Das ging noch, da noch nicht viele Pilger in der Herberge waren. Allerdings wird es jetzt zu wuselig.

Man hoert von vielen Pilgern, dass sie hier Sachen traeumen, die sie schon laengst vergessen hatten oder dass vieles, was verdraengt war, wieder hochkommt.

Was mich da wohl noch erwartet...

Ich hatte ja urspruenglich gedacht, das Schreiben des Blogs haelt mich genau von dieser Denkarbeit ab, aber dem ist nicht so. Wenn man Stunde um Stunde in der Natur geht, dann findet dieser Prozess statt. Vielleicht noch nachts oder abends, wenn man im Bett liegt. Aber sobald man in der Herberge mit den Menschen zusammen ist und rumgewuselt wird, ist die meditative Stimmung sowieso nicht so gegeben. Da ist mehr Gemeinschaft angesagt (so man denn will) und dann ist auch Zeit fuer den Blog ;-).

Ich bekomme so nette Mails von euch und es freut mich total, dass ich euch mit diesem Blog ein Stueckchen mitnehmen kann.

Ultreia
Silvia

Montag, 3. Mai 2010

El Burgo Ranero

Hola zusammen,

viele Gruesse aus dem Froschdorf El Burgo Ranero. Hier quaken die Froesche besonders laut (Ranero heisst Frosch...der Dorfgruender aber auch ;-)). Hier quaken aber nicht nur die Froesche besonders laut, sondern auch die Italiener, die gerade am Tisch gegenueber sitzen und ihre Pasta essen, singen seit 1/2 Stunde italienische Trinklieder. Aber sie koennen singen. Du meine Guete. Eine Nachzueglerin von ihnen wird gerade lautstark begruesst.

Ich bin hier nach einem seeeeehr anstrengenden Lauftag in einer kleinen Albergue im Nirgendwo gelandet. Das Dorf wirkt wie ein Geisterdorf. Die Albergue ist sehr einfach, aber irgendwie gemuetlich. Die Hospitalera Lourdes ist eine Seele von Mensch. Sie spricht kein englisch oder deutsch, ich kein spanisch und es klappt doch mit Haenden und Fuessen. Ich bin immer wieder begeistert, wie gastfreundlich man ueberall aufgenommen wird. Viele Hospitaleros arbeiten ehrenamtlich und diese Herberge funktioniert nur auf Spendenbasis. Jeder gibt fuer die Uebernachtung, was er meint.

Leider gab es gestern Nacht einen ueblen Vorfall. Wir wurden heute morgen in Sahagun von unserer Hospitalera mit der Frage geweckt, ob wir noch unser ganzes Geld haben. Einer Mitpilgerin wurde in der Nacht das Portemonnaie unter dem Kissen weggeklaut. Das Geld wurde rausgenommen und das Portemonnaie draussen auf dem Tisch liegen gelassen. Bei den anderen fehlte nichts. Ich schlafe nach wie vor mit meinem Bauchgurt und lege ihn auch im Schlafsack nicht ab. Traurig, dass es sowas gibt und das an Orten, wo so viele Menschen friedlich zusammenkommen. Aber wo Licht ist, gibt es auch Schatten.

Die Etappe heute war sehr anstrengend, weil es kalt und sehr windig war. Der Wind war so stark, dass ich teilweise aus dem Tritt kam, weil der Wind mich seitlich wegfegte. Die ersten 10 km bin ich mit Sandoshi gegangen, aber in der ersten Bar mussten wir uns dann trennen, weil ihr Fuss laediert ist und sie mein Tempo nicht halten konnte, ich aber auch nicht langsamer gehen konnte, weil es dann zu anstrengend fuer mich war.

Aber auch das ist der Camino. Sandoshi ist mittlerweile auch hier eingetrudelt und hat das letzte Bett bekommen. Glueck gehabt.
Die Strecke ging die ganze Zeit an der Strasse entlang. Wir hatten nicht die Alternativroute genommen, weil wir unbedingt in diesen Ort wollten (Pilgertipp).
Das war wirklich kraeftezehrend. Ich habe mir dann meinen Ipod genommen und das Hoerbuch von der Bibel angemacht. Die Apostelgeschichte. Ich hatte sie noch nie so bewusst gehoert und es war wirklich interessant. Man glaubt nicht, wieviel Weisheit doch in der Bibel steckt und komischerweise lese (oder hoere) ich immer Stellen, die Themen betreffen, die mich gerade beschaeftigen. Da ich mich im Moment mit der katholischen Kirche auseinandersetze, kam dann auch wenig ueberraschend in der Apostelgeschichte die Erzaehlung, wie die Apostel die ersten Gemeinden bildeten und auch der erste Roemer Petrus zu sich einlud und dort einige Leute versammelt hatte.
Also quasi der Beginn unserer Kirche. Diese Menschen haben sich vor 2000 Jahren entgegen aller Konventionen versammelt und fuer ihren Glauben gekaempft.

Ich muss noch ein wenig ueber dieses Thema nachgruebeln und ziehe mich jetzt daher in mein 8-Bett-Zimmer (fast schon Luxus) zurueck. Ach ne...erst muss ich noch den Sonnenuntergang am Froschteich angucken, fuer den dieses Dorf beruehmt ist ;-)).

Ich wuensche allen eine gute Nacht.

Ultreia
Silvia

Sonntag, 2. Mai 2010

Sahagun, der zweite Tag




Nachdem ich jetzt alle meine liebgewonnenen Caminofreunde ziehen lassen musste, geniesse ich gerade mit dem fusskranken Mario aus Brasilien die Ruhe in der Albergue vor dem naechsten Ansturm. Heute ist es sehr kalt und frisch, so dass wir uns aus dem grossen, kalten Schlafsaal in die "warme" Rezeption zurueckgezogen haben.

Ich versuche jetzt mal ein paar Fotos hochzuladen. Wild gemischt und dann gehe ich die Stadt erkunden.

Viel Spass damit.

Ultreia
Silvia

Samstag, 1. Mai 2010

Sahagun



Hola zusammen,

ich bin heute in Sahagun gelandet (ich verzichte wegen der tollen Tastatur auf Apostroph etc. -man moege mir verzeihen).
Am gestrigen Tag war ich viel mit mir allein, was auch sehr schoen war. Viele meiner Caminobekanntschaften waren weiter als Ledigos gezogen. Bisher bin ich auch jeden Tag allein gelaufen, obwohl sich eigentlich jeden Morgen die Gelegenheit bietet, sich jemandem anzuschliessen. Ich habe mich aber bewusst dafuer entschieden, alleine zu laufen. Als ich heute morgen nach ca. 3 km im naechsten Ort angekommen war und in einer Bar fruehstuecken wollte, traf ich dort wieder auf Sandrienne aus der Schweiz, die ich das erste Mal an der wunderschoenen Herberge in San Bol getroffen hatte.
Als ich unterwegs stoppte, um meine Schuhe neu zu binden, holte sie mich ein und fragte, ob wir nicht ein Stueck zusammen gehen wollten.
Wir sind dann gewandert und gewandert und haben geredet, philosphiert, gelacht und gegruebelt. Es ist schon erstaunlich, wie intensiv und tief man mit eigentlich wildfremden Menschen redet und vor allem ueber was man alles redet.
Ich denke, es ist gerade wichtig, dass man mit wildfremden Menschen redet, um wichtige Denkimpulse zu bekommen. Denn diese Menschen kennen das persoenliche Umfeld nicht und haben eine ganz andere Sicht auf die jeweilige Situation.

Als ich mit Sandrienne an einer alten Bruecke angekommen war, kam eine andere Pilgerin den Weg entlang. Noch bevor ich sie angesprochen hatte, habe ich gedacht: "Du meine Guete, was hat diese Frau fuer eine tolle Energie!" Mit kurzen Beinen und schnellen Schritten kam sie froehlich den Weg daher. Sandrienne kannte sie schon. Es war Mary aus Ausstralien. Sie strahlte, weil sie die Etappe fast geschafft hatte und hoerte auf ihrem Ipod die Chipmunks. Wir haben uns kaputt gelacht, weil jeder einmal die Chipmunks hoeren durfte. Ihre Tochter hatte ihr Discomusic und eben auch die Chipmunks auf den Ipod gespielt, falls sie mal ein wenig Power brauchte (fuer die, die es nicht wissen, die Chipmunks sind Comicstreifenhoernchen oder Eichhoernchen mit quietschigen Stimmen). Wir haben dann gelaestert, dass Mary chipmunksgedopt ist.

Als wir von zwei Italienerin ueberholt wurden, schimpfte Mary:" Ey, what are you doing here? I'm flying the camino, cause I've got the chipmunks." Das ist jetzt unser running gag.

Als wir vorhin alle zusammensassen, erzaehlte Mary, dass sie zu Hause spirituelle Arbeit macht. Also so etwas wie geistige Heilung etc. Deswegen also die positive Energie, die man von weitem schon spueren konnte.

Heute abend koche ich fuer sie westfaelische Bratkartoffeln. Die Zutaten hierfuer habe ich mit Sandriennes Hilfe (sie kann fliessend spanisch, weil sie 5 Monate in Argentinien gelebt hat) auf dem hiesigen Markt gekauft. Es ging alles ganz gut, bis wir zum geraeucherten Speck kamen ;-)). Aber auch den haben wir jetzt. Es ist alles sehr guenstig hier. Fuer einen Kanten Speck, 4 Bratwuerstchen und 3 Liter Mineralwasser habe ich gerade einmal 3,75 € bezahlt.

Der Weg nimmt mich immer mehr gefangen. Auch die Geschichten, die hier passieren.
Sandrienne wollte heute z.B. eigentlich noch weiter laufen, was wir sehr bedauerten.
Als sie gerade losgehen wollte, kam ein dicker Regenschauer. Sie hat sich dann doch entschlossen hier zu uebernachten, weil sie nicht 18 km durch den Regen gehen wollte.
Als sie sich dann sozusagen eingebucht hatte und ihre Sachen auf das Bett gelegt hatte, schien die Sonne, als sei nichts gewesen. :-)

So habe ich noch einen Abend mit ihr, bevor ich mich morgen endgueltig von ihr verabschieden muss. Heute morgen war ich auch sehr traurig, weil ich dachte, ich sehe die Truppe mit den jungen Leuten nicht mehr. Ich hatte Sandrienne schon den Auftrag gegeben, sie alle von mir zu gruessen und sich in meinem Namen zu verabschieden, als ich sie heute in der Stadt wiedergetroffen hatte.
So konnte ich wenigstens schnell noch Mailadressen austauschen.

Es ist wirklich immer wieder erstaunlich, was hier passiert. Man sieht sich, man verliert sich. Aber andere Pilger geben einem immer Pilgernachrichten. Wer wo mit kaputten Fuessen liegengeblieben ist, oder wer wo Magen-Darmprobleme hat oder wer zwei Etappen auf einmal macht oder oder oder.
Es ist wie in frueheren Zeiten, wo die fahrenden Kaufleute auf den Doerfern die Neuigkeiten brachten.

Was in der Welt geschieht, bekomme ich ueberhaupt nicht mit. Meine Internetzeit nutze ich fuer den Blog und ab und an fuer Mails. Nachrichten lese ich nicht und sie interessieren mich im Moment auch nicht.
Ich merke, wie ich mit jedem Tag ruhiger und gelassener werde. Morgen werde ich auch noch hier in Sahagun bleiben. Die Herberge ist nett und ich muss ja Zeit schinden :-(.
Das Laufen macht mir nichts mehr aus und ich koennte 30 km am Tag gehen. Heute habe ich mir allerdings eine kleine Blase gelaufen, weil ich nicht schnell genug reagiert habe, als ich merkte, dass der Schuh zu locker sitzt. Das wird sofort bestraft.

Ich habe es mir bisher (bis auf 2 x bei Notfaellen) verkniffen, aus den hiesigen Brunnen zu trinken. Die Magen-Darmepidemie, die scheinbar einige Pilger befallen hat, schieben viele auch auf das Brunnenwasser, denn es waren alles Pilger, die ihre Wasserflaschen an den Brunnen auffuellen, die lt. Aufschrift Trinkwasser enthalten.

Marco aus der Schweiz hatte es gestern auch erwischt. Weiss wie ein Betttuch stand er gestern abend vor mir. Zu Hause habe ich noch ueberlegt, ob ich zu viel in meiner Reiseapotheke habe, aber hier nutzt es zumindest den anderen ;-)).

Ich versuche mal, wieder ein oder zwei Fotos hochzuladen.Auf dem einen seht ihr das Bett, in dem ich heute und morgen schlafe und auf dem anderen die nette, kleine Bar, in der ich heute gefruehstueckt habe. Es gab unglaublich viele kleine Details dort zu entdecken.

Ultreia

Silvia

Freitag, 30. April 2010

Ledigos

Hola,

dank eurer lieben und guten Gedanken ist die Meseta geschafft. Ich habe sie mir ganz anders vorgestellt, denn es waren doch Baeume und Straeucher am Weg und auch keine endlose Weite, wie es in den Reisefuehrern beschrieben wurde. Ich fand den Weg vor zwei Tagen schon beeindruckender. Ich hatte das Gefuehl, dass die Piste fuer die Pilger neu angelegt war und auch die Baeume waren nicht sehr alt. Ich denke, hier ist einiges fuer das heilige Jahr veraendert worden.

Heute morgen bin ich um 6.45 Uhr aufgebrochen und habe mich prompt im Dunkeln verlaufen. Nach einem kurzen Umweg durch das Dorf habe ich aber den Camino wiedergefunden und bin durch die Meseta. Der neu (¿) angelegte Schotterweg war schwer zu gehen. Ich habe festgestellt, ich laufe nicht gern auf grossem Schotter. Man eiert einfach so durch die Gegend und hat keinen festen Tritt.

Um kurz nach halb 11 war ich schon im Zielort Calzadilla de la Cueza. Dort habe ich erstmal eine lange Rast in der dortigen Bar gemacht und mit Jos aus Holland und Joachim (sprich Choakim oder so) aus Spanien lange gequasselt. Jos ist vor 10 Jahren angefangen, den Camino zusammen mit seinem Vater zu gehen. Sie sind in Holland angefangen und immer wieder ein Stueck gegangen und sind bis ich glaube Frankreich gekommen. Dann ist sein Vater gestorben.
Nun bringt er den Weg zu Ehren seines Vaters zu Ende und um sich darueber klar zu werden, was er nun machen will. Auch er hat vor dem Camino seinen Job als IT-Spezialist gekuendigt. Joachim hat unter anderem auch in Deutschland gelebt und spricht daher sehr gut deutsch. Er geht seit vielen Jahren immer wieder den Camino, weil er das Caminogefuehl sehr liebt. Urspruenglich ist er seinen ersten Camino vor 13 Jahren gegangen, weil er mit seinem Sohn nicht mehr ein noch aus wusste, da er heroinabhaengig war. Nach dem Camino hat er seinen Sohn gefragt, ob er bereit waere, mit ihm 2 Monate in deren Wohnung aufs Festland (er lebt auf einer spanischen Insel) zu gehen und den Entzug zu wagen (der Sohn war vorher aus Entzugskliniken abgehauen).
Sein Sohn hat zugestimmt und so hat er ihn in ein kleines Dorf mitgenommen, ihn dort ans Bett gefesselt und den Entzug mit ihm durchgestanden. Zwei Monate lang.
Danach hat der Sohn noch 2 Jahre Medikamente bekommen, die sofort ein Koma ausloesen, wenn man Heroin nimmt. Heute ist er gluecklich verheiratet und hat 3 Kinder.
Joachim ist 67 Jahre alt und total bewunderswert. Er hat noch viel mehr aus seinem Leben erzaehlt, aber das wuerde hier den Rahmen sprengen.

Im Moment geniesse ich gerade mal wieder das typische Albergueritual. Ankommen, Bett beziehen, duschen, Waesche waschen, eine Siesta halten, Tagebuch (und Blog) schreiben und hoffen, dass die Nacht ruhig wird. Letzte Nacht hatten wir mindestens 3 laute Schnarcher im Zimmer und meine Ohrstoepsel lagen gut verstaut im Rucksack und ich im Hochbett oben. Sie haben sogar meinen Ipod uebertoent, in dem mit voller Lautstaerke Enya lief. Ich glaube, ich bin erst gegen 4 Uhr morgens (gefuehlt) eingeschlafen. Ich habe hier gelernt, dass es unheimlich viele Schnarcharten gibt. Gestern nacht habe ich wieder eine neue kennengelernt ;-)).

Der Abend gestern bei den Schwestern ist noch sehr schoen ausgeklungen. Wir haben alle noch einen Stern bekommen, den die Schwestern fuer uns gebastelt haben und dann ist eine der Ordensschwestern rumgegangen und hat jeden ganz ganz liebevoll gesegnet. Es war wundervoll.


Ultreia

Silvia