Montag, 17. Mai 2010

Portomarin - Palas dei Rei


Hola zusammen,

hurra, ich sitze an einer richtigen Tastatur und kann in die Tasten hauen.
Das Pilgern wird langsam zur Roadshow. Es ist der Horror.
Wusel hat es heute richtig beschrieben:"Ich hatte das Gefuehl auf einer Ameisenstrasse zu sein!"
Gestern sind wir bis nach Portomarin gegangen. Die Strecke von Sarria bis Portomarin war eine der schoensten des Camino (von den vielen vielen schoensten...). Leider getruebt durch unzaehlige Sonntagspilger, die von Bussen hin- und hergekarrt wurden und ab und zu mal die schoene Landschaft durchstreiften.
Es war grausam. Laut, ruecksichtslos und natuerlich mit saemtlichen Pilgerutensilien wie Muschel und Kallebasse (schreibt man das so...ich meine diesen Kuerbis ;-)) ausgestattet. Sogar mit Kinderwagen sind sie ueber Baeche und Matschwege geschoben.

Es hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Pilgern zu tun, wie ich es in den Etappen vor Leon kennengelernt habe.

Ich habe dann in Portomarin in der Herberge uebernachtet und Wusel wollte sich ein Hotel suchen. Das hat sie aber leider nicht bekommen, weil der Ort total ausgebucht war. Gut, dass sie noch ein paar Mitpilger getroffen hatten, die ihr den Tipp mit einer privaten Albergue gaben. So hatte sie noch ein Bett.

Heute morgen begann in der Herberge schon um 5.30 Uhr der grosse Aufbruch. An Schlafen war nicht zu denken. Ich wundere mich jeden Morgen ueber die Leute, die sich ihre Wecker stellen. Sie sind naemlich die Einzigen im Schlafsaal, die nicht davon wachwerden *gggrrrrr*. Ich habe mich dann um 5.45 aus meinem Schlafsack gekugelt und habe meine Sachen gepackt. Der Durchgang bis zum Nachbarbett betrug ungefaehr 30 cm und ich hatte fast Angst, steckenzubleiben ;-).

Ich habe dann beim Licht der Taschenlampe meines Tischnachbarn gefruehstueckt (Joghurt mit Apfel und Banane-man wird ja genuegsam) und war um 6.45 Uhr schon fertig. Das Problem war, dass ich mich mit Wusel erst um 7.30 Uhr verabredet hatte.
Sie hat mir dann per sms das OK gegeben, dass ich schon loslaufen kann und das war gut so. Nach einer Etappe in der prallen Sonne, die ganz ok, aber wenig aufregend war, da es ueberwiegend ueber Schotterwege und an der Strasse entlang ging, kam ich in Palas dei Rei an und es gab so gut wie keine Betten mehr.
Wie soll das erst im Sommer werden.
Ich habe jetzt ein Doppelzimmer fuer uns ergattert und Wusel ist vorhin auch voellig abgekaempft hier angekommen.
Wie haben nun fuer morgen die Albergues durchtelefoniert, die fuer uns in Frage kommen, aber alle sind ausgebucht. Wird spannend. Mal sehen, in welcher Scheune wir morgen unser Haupt betten. Ich glaube Wusel kriegt einen Anfall....
Ich bin da ja schon abgehaertet. Allerdings moechte ich auch nicht unbedingt im Wald schlafen. Vielleicht gibts ja noch Woelfe.

Als ich heute vor dem Kilometerstein 65,5 (bis Santiago) stand, war ich irgendwie wie betaeubt. Ich kann das gar nicht glauben. Die ersten Kilometerangaben (es war auf meiner ersten oder zweiten Etappe) waren mit Kilometerstaenden von ich glaube 528
km angegeben und nun sind es nur noch 65. Wahnsinn.

Es war immer mein grosser Traum diesen Camino zu gehen. Ich habe es nun fast vollendet und irgendwie ist das ein komisches Gefuehl. 10 Jahre "gedankliche" Vorbereitung und die Zeit verging wie im Flug. In den ersten zwei Wochen war ich einfach nur gluecklich und zufrieden. Es war wie "Angekommensein". Es fuehlte sich richtig und gut an. Nun ist es ein "K(r)ampf". Diese vielen Menschen, das Gedraenge, das Gerenne um die Betten.

Lediglich die Etappen durch die schoene Landschaft versoehnen mich wieder.

Der O Cebreiro ist nun auch aus meinen Knochen wieder raus und meinen Fuessen geht es wieder gut. Das waren echt zwei Hammertage.
Der Ort, in dem wir gestern abend waren, liegt uebrigens an einem Stausee, in dem der urspruengliche Ort versunken ist. Lediglich die beiden Kirchen sind Stein fuer Stein abgetragen worden und am neuen Ort wieder aufgebaut worden.

Das war ganz witzig. Auf vielen Kirchensteinen konnte man noch Zahlen sehen. Das war nicht "Malen nach Zahlen", sondern "Bauen nach Zahlen". Gut dass ich keiner verzaehlt hat ;-).
Als wir vor der Kirche sassen, kam gerade ein Trauerzug an. Schrecklich fuer die Angehoerigen. Der Sarg wurde ueber die Hauptstrasse getragen und hunderte Bustouristen und Pilger gafften. Die Angehoerigen taten mir fuerchterlich leid.

Ich habe trotz der vielen Touris auch noch sehr nette Leute in den letzten Tagen kennengelernt. Das Schoene ist, dass ja alle irgendwie gleich sind. Alle rennen in Trekkingklamotten herum, egal ob reich oder arm oder Aussteiger oder Direktor (Ex-Direktor), Abteilungsleiter oder Student. Es ist egal und alles ist vertreten.
Man lernt die Menschen beim Plaudern einfach als Mensch kennen und oft ergibt sich erst nach Stunden/Tagen (oder nie) das Gespraech darueber, was man beruflich macht.

Heute bin ich mit jemandem gegangen, der mir erzaehlt hat, dass sein Leben fuer ihn immer perfekt war. Verheiratet, 2 Kinder (mittlerweile 22 und 28), beruflich sehr erfolgreich. Letztes Jahr ist er 50 geworden und hat noch gesagt:"Was soll mir passieren. Ich bin gluecklich!" Dann hat seine Frau ihm letzten Sommer eroeffnet, dass sie ihn nach 28 Jahren Ehe verlaesst. Sie haetten sich auseinandergelebt und sie koenne es auch nicht mehr aushalten, dass er immer so lange arbeitete (teilweise 12 Stunden und mehr). Er hat seine Stunden reduziert, konnte aber seine Ehe nicht mehr retten. Nun stand er vor einen Scherbenhaufen und alles das, was er sich an seinem 50. Geburtstag nicht im Traum haette vorstellen koennen, war nun eingetreten.
Er hat mir eindrucksvoll geschildert, wie es ihm ging.
Seine Frau ist mit einer Freundin zusammengezogen und moechte sich nun ein neues Leben aufbauen (hat aber keinen neuen Mann, also das war definitiv nicht der Trennungsgrund).
Ich habe lange darueber nachgedacht. Man soll doch wirklich jeden Tag geniessen.
Nicht, dass ich jetzt Angst um meine Ehe haette (hallo Schaaaaatziiiii ;-)), aber
auch ich haette mir ja vor 3 Jahren nicht vorstellen koennen, dass ich so schwer erkranke. Man ist so schnell wieder im Alltagstrott und vergisst oft, es zu wuerdigen, wie gut es einem eigentlich geht. Es ist ja alles so normal und laeuft halt.

Tja...that's life. So...das war mein Wort zum Montag ;-)). Denkt mal drueber nach und freut euch, wenn es euch gut geht.


Ultreia
Silvia

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