Samstag, 1. Mai 2010

Sahagun



Hola zusammen,

ich bin heute in Sahagun gelandet (ich verzichte wegen der tollen Tastatur auf Apostroph etc. -man moege mir verzeihen).
Am gestrigen Tag war ich viel mit mir allein, was auch sehr schoen war. Viele meiner Caminobekanntschaften waren weiter als Ledigos gezogen. Bisher bin ich auch jeden Tag allein gelaufen, obwohl sich eigentlich jeden Morgen die Gelegenheit bietet, sich jemandem anzuschliessen. Ich habe mich aber bewusst dafuer entschieden, alleine zu laufen. Als ich heute morgen nach ca. 3 km im naechsten Ort angekommen war und in einer Bar fruehstuecken wollte, traf ich dort wieder auf Sandrienne aus der Schweiz, die ich das erste Mal an der wunderschoenen Herberge in San Bol getroffen hatte.
Als ich unterwegs stoppte, um meine Schuhe neu zu binden, holte sie mich ein und fragte, ob wir nicht ein Stueck zusammen gehen wollten.
Wir sind dann gewandert und gewandert und haben geredet, philosphiert, gelacht und gegruebelt. Es ist schon erstaunlich, wie intensiv und tief man mit eigentlich wildfremden Menschen redet und vor allem ueber was man alles redet.
Ich denke, es ist gerade wichtig, dass man mit wildfremden Menschen redet, um wichtige Denkimpulse zu bekommen. Denn diese Menschen kennen das persoenliche Umfeld nicht und haben eine ganz andere Sicht auf die jeweilige Situation.

Als ich mit Sandrienne an einer alten Bruecke angekommen war, kam eine andere Pilgerin den Weg entlang. Noch bevor ich sie angesprochen hatte, habe ich gedacht: "Du meine Guete, was hat diese Frau fuer eine tolle Energie!" Mit kurzen Beinen und schnellen Schritten kam sie froehlich den Weg daher. Sandrienne kannte sie schon. Es war Mary aus Ausstralien. Sie strahlte, weil sie die Etappe fast geschafft hatte und hoerte auf ihrem Ipod die Chipmunks. Wir haben uns kaputt gelacht, weil jeder einmal die Chipmunks hoeren durfte. Ihre Tochter hatte ihr Discomusic und eben auch die Chipmunks auf den Ipod gespielt, falls sie mal ein wenig Power brauchte (fuer die, die es nicht wissen, die Chipmunks sind Comicstreifenhoernchen oder Eichhoernchen mit quietschigen Stimmen). Wir haben dann gelaestert, dass Mary chipmunksgedopt ist.

Als wir von zwei Italienerin ueberholt wurden, schimpfte Mary:" Ey, what are you doing here? I'm flying the camino, cause I've got the chipmunks." Das ist jetzt unser running gag.

Als wir vorhin alle zusammensassen, erzaehlte Mary, dass sie zu Hause spirituelle Arbeit macht. Also so etwas wie geistige Heilung etc. Deswegen also die positive Energie, die man von weitem schon spueren konnte.

Heute abend koche ich fuer sie westfaelische Bratkartoffeln. Die Zutaten hierfuer habe ich mit Sandriennes Hilfe (sie kann fliessend spanisch, weil sie 5 Monate in Argentinien gelebt hat) auf dem hiesigen Markt gekauft. Es ging alles ganz gut, bis wir zum geraeucherten Speck kamen ;-)). Aber auch den haben wir jetzt. Es ist alles sehr guenstig hier. Fuer einen Kanten Speck, 4 Bratwuerstchen und 3 Liter Mineralwasser habe ich gerade einmal 3,75 € bezahlt.

Der Weg nimmt mich immer mehr gefangen. Auch die Geschichten, die hier passieren.
Sandrienne wollte heute z.B. eigentlich noch weiter laufen, was wir sehr bedauerten.
Als sie gerade losgehen wollte, kam ein dicker Regenschauer. Sie hat sich dann doch entschlossen hier zu uebernachten, weil sie nicht 18 km durch den Regen gehen wollte.
Als sie sich dann sozusagen eingebucht hatte und ihre Sachen auf das Bett gelegt hatte, schien die Sonne, als sei nichts gewesen. :-)

So habe ich noch einen Abend mit ihr, bevor ich mich morgen endgueltig von ihr verabschieden muss. Heute morgen war ich auch sehr traurig, weil ich dachte, ich sehe die Truppe mit den jungen Leuten nicht mehr. Ich hatte Sandrienne schon den Auftrag gegeben, sie alle von mir zu gruessen und sich in meinem Namen zu verabschieden, als ich sie heute in der Stadt wiedergetroffen hatte.
So konnte ich wenigstens schnell noch Mailadressen austauschen.

Es ist wirklich immer wieder erstaunlich, was hier passiert. Man sieht sich, man verliert sich. Aber andere Pilger geben einem immer Pilgernachrichten. Wer wo mit kaputten Fuessen liegengeblieben ist, oder wer wo Magen-Darmprobleme hat oder wer zwei Etappen auf einmal macht oder oder oder.
Es ist wie in frueheren Zeiten, wo die fahrenden Kaufleute auf den Doerfern die Neuigkeiten brachten.

Was in der Welt geschieht, bekomme ich ueberhaupt nicht mit. Meine Internetzeit nutze ich fuer den Blog und ab und an fuer Mails. Nachrichten lese ich nicht und sie interessieren mich im Moment auch nicht.
Ich merke, wie ich mit jedem Tag ruhiger und gelassener werde. Morgen werde ich auch noch hier in Sahagun bleiben. Die Herberge ist nett und ich muss ja Zeit schinden :-(.
Das Laufen macht mir nichts mehr aus und ich koennte 30 km am Tag gehen. Heute habe ich mir allerdings eine kleine Blase gelaufen, weil ich nicht schnell genug reagiert habe, als ich merkte, dass der Schuh zu locker sitzt. Das wird sofort bestraft.

Ich habe es mir bisher (bis auf 2 x bei Notfaellen) verkniffen, aus den hiesigen Brunnen zu trinken. Die Magen-Darmepidemie, die scheinbar einige Pilger befallen hat, schieben viele auch auf das Brunnenwasser, denn es waren alles Pilger, die ihre Wasserflaschen an den Brunnen auffuellen, die lt. Aufschrift Trinkwasser enthalten.

Marco aus der Schweiz hatte es gestern auch erwischt. Weiss wie ein Betttuch stand er gestern abend vor mir. Zu Hause habe ich noch ueberlegt, ob ich zu viel in meiner Reiseapotheke habe, aber hier nutzt es zumindest den anderen ;-)).

Ich versuche mal, wieder ein oder zwei Fotos hochzuladen.Auf dem einen seht ihr das Bett, in dem ich heute und morgen schlafe und auf dem anderen die nette, kleine Bar, in der ich heute gefruehstueckt habe. Es gab unglaublich viele kleine Details dort zu entdecken.

Ultreia

Silvia

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