Samstag, 8. Mai 2010

Astorga


Hola zusammen,

ich bin heute nach einer der schoensten Etappen, die ich bisher gegangen bin, hier in Astorga gelandet. Morgen kommt meine liebe Wusel, von der ich gerade auch noch eine gaaanz liebe Mail bekommen habe. Ich freue mich schon, auf den weiteren Weg mit ihr.
Es wird sicherlich eine Herausforderung, auf einmal zu zweit zu sein, aber ich freue mich einfach nur. Wusel und ich haben in unserem Leben schon viele Stunden geteilt und da werden wir auch unseren Camino miteinander teilen. Es tut gut, solche Freunde zu haben. Apropos Freunde. Ich denke hier auf dem Camino oefter ueber Freundschaften nach und dass ich mich soooo gluecklich schaetzen kann, einen wundervollen Freundeskreis zu haben. Es sind Menschen, die mich teilweise seit meiner Kindergartenzeit begleiten. Das ist heute ziemlich selten.

Bei dieser Gelegenheit moechte ich doch gleich mal Carmen und Tina eine dicke Umarmung schicken. Tina wird sie sich zwar von Norbert vorlesen lassen, weil sie im Moment internetlos ist, aber ich hoffe, sie kommt trotzdem an ;-).

Als ich heute durch diese atemberaubend schoene Landschaft gelaufen bin und gemerkt habe, dass die Natur fast wie eine Droge wirkt, so berauscht ist man, habe ich ploetzlich an einer Wegkreuzung einen aussergewoehnlichen Ort entdeckt.
Eine alte Bank, die unter einem Baum stand, der aussah wie ein Olivenbaum, davor ein selbstgebauter Tisch mit Kreuzintarsien, davor ein grosses Kreuz und daneben ein Pilger aus Beton, dem normale Klamotten angezogen waren. Neben der Bank war noch eine Christusfigur aus Messing auf einem Steinhaufen. Es war voellig surreal, aber der Ort hatte eine unglaubliche Ausstrahlung. Ich habe mich dann auf die Bank gesetzt und den Blick ueber die Huegel und die Weite genossen.

Dabei kam mir die Idee, dass dies ein wundervoller Ort sei, um fuer eine mir nahestehende Person zu beten. Ich habe also meinen Rosenkranz genommen und das Christusgebet, welches Hans Gerd mich gelehrt hat, gebetet. Nach einiger Zeit kamen Pilger vorbei und ich wurde unfreiwillig zum Fotomodel. Zwei Mal wurde ich gefragt, ob sie mich beim Beten fotografieren duerften. Das sah wahrscheinlich richtig caminomaessig aus ;-)). Na ja...mal sehen in welchen Buechern ueber den Camino ich mich wiederfinde. Wie dem auch sei. Es war ziemlich komisch, so beim Beten fotografiert zu werden, aber es war ok. Ich habe hier auf dem Camino sowieso eine ganz andere Art des Betens kennengelernt.
Mal sehen, wieviel man davon in den Alltag mitnimmt. Mein liebstes Beten ist aber nach wie vor die innere Zwiesprache mit Gott und ich bekomme auch immer Antworten.

Eine Antwort hat er mir heute in Form einer Person gegeben. Als ich eine neue SD-Karte in meine Kamera legte, kam ein Paerchen des Weges. Wir kamen ins Gespraech und sind ein Stueck zusammen gegangen. Der Mann erzaehlte mir, dass er frueher ein Workoholic war. Er war selbststaendig mit mehreren Gastronomiebetrieben an einem absoluten Touristenort (ich sage jetzt nicht wo, denn dann wuerde ich ihn outen, so bekannt ist dieser Ort). Es waren immer viele Touris dort und die Hektik hat ihn aufgefressen. Er sagte, dass die Japaner sogar mit Stoppuhr dasassen und einige Touris sich Vorspeise, Hauptgang und Dessert zusammen bringen liessen, um Zeit zu sparen. Irgendwann hatte er gesundheitliche Probleme und ging zu einem Prof. Dieser sagte ihm, das sei die Psyche. Stress!
Also fing er an zu joggen und es hat ihm gutgetan.
Einige Jahre spaeter hat er sich ueberlegt, dass er das alles nicht mehr will und hat sein grosses Haus (Villa?) verkauft, ebenso wie seine Restaurants und hat sich ein ganz kleines Haus im Allgaeu gekauft. Mitten im Wald. Im Winter kommt er teilweise nicht mal mit dem Auto bis ans Haus.
Hier ist er jetzt seit 7 Jahren gluecklich. Er sagte: "Wer kann schon aus dem Fenster 14 Rehen beim Fressen zusehen?"
Viele haben ihn belaechelt und ihn "Alm-Oehi" genannt, aber er hat sein Ding durchgezogen. Er hat es keine Minute bereut.

Da musste ich an Guido und mich denken und daran, dass unser Wunsch ein helles, freistehendes Haus ist. Nachdem ich mit Peter gesprochen hatte, hatte ich den festen Wunsch in ein helles Haus mit viel Gruen drumherum zu ziehen.
Guido...fang schonmal an zu suchen :-)).

Ist schon witzig, auf welche Gedanken man durch die Gespraeche mit den Menschen hier immer wieder gestossen wird. Aber wie sagte es Peter heute:" Es gibt Millionen Verrueckte auf der Welt und die ganz Verrueckten sind so bescheuert und gehen die vielen Hundert Km nach Santiago! Also hast du hier schon von vornherein eine Auslese und triffst auf Seelenverwandte!" Also es gruesst die Verrueckte :-)).

Im uebrigen bin ich heute in einer Herberge gelandet, die von einem spanischen Jakobusverein gefuehrt wird. Es ist eine grosse Herberge, aber sehr sauber, sehr nette Hospitaleros und kleine Schlafraeume.
Als ich gerade auf meinem Bett sass, kam "Madonna mia!" in mein Zimmer. So sieht man sich wieder :-). Heute haben wir aber feste Matratzen.

So, jetzt werde ich erstmal die Stadt erkunden.

Ultreia
Silvia

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